Moosfelde. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gefiel es sichtlich in Moosfelde, und das lag nicht nur am strahlenden Sonnenschein. Über eine Stunde nahm sie sich am Dienstag Zeit für den Rundgang durch das Quartierszentrum, besichtigte Grundschule, Ganztagsbetreuung, Familienzentrum und Kindertreff, sprach mit Mitarbeiterinnen und Kindern, lächelte in Kameras und zog am Ende ein Fazit mit Superlativen. Sie könne Arnsberg nur gratulieren, sie habe unheimlich viel Engagement gesehen und von beeindruckenden Zahlen gehört. Moosfelde sei auf einem exzellenten Weg und das Präventionsprogramm „Kein Kind zurücklassen!“ sei hier jetzt schon ein gigantischer Erfolg.
Modellprojekt „Kein Kind zurücklassen“
„Kein Kind zurücklassen“ – abgekürzt „KeKiZ“ – ist ein 2012 gestartetes Modellprojekt, an dem neben Arnsberg 17 weitere NRW-Kommunen teilnehmen. Die Mnisterpräsidentin will sich auf einer Besichtigungsreise vor Ort einen Eindruck von den neuesten Entwicklungen machen. Arnsberg war ihre fünfte Station. Bereits vor dem Rundgang hatte sie sich in einem Gespräch mit dem Arbeitskreis Familie informiert, in dem in Moosfelde die Präventionsarbeit der verschiedenen Institutionen ineinander greift.
Die vielen unterstützenden Hände in Einklang bringen
Die Teilnahme bei KeKiZ bringt der Stadt Arnsberg rund 46.000 Euro aus der Landeskasse, mit denen für die Projektdauer die halbe Stelle eines Netzwerkkoordinators bezahlt wird. Aber nicht das Geld sei wichtig, so Christian Eckhoff, der zuständige Projektbeauftragte bei der Stadt, sondern die Erfahrungen. Die Erfahrungen, die man mit anderen Modellstädten austausche, und die Erfahrungen, die man selbst in einem Stadtteil mache und dann auf den Rest der Stadt übertragen könne. Ziel sei es, viele gute Projekte, viele unterstützende Hände, die bisher nebeneinander her gearbeitet haben, in Einklang zu bringen und in einem Netzwerk zu verbinden. Die Ministerpräsidentin hat sich da besonders von dem Arnsberger Ansatz beeindruckt gezeigt, zwei Kindertagesstätten mit unterschiedlichen Trägern in einem Familienzentrum zusammenzufassen, das sich mit seinen Aktivitäten dem Kindeswohl nicht erst ab dem Kindergartenalter, sondern schon ab dem Mutterleib widmet.
Weniger Vandalismus
Mit Bürgermeister Hans-Josef Vogel und dem Landtagsabgeordneten Klaus Kaiser und immer gefolgt von einer großen Menschentraube – Mitarbeiter aus Ministerium und Stadtverwaltung, Politiker, Sicherheitsleute und ein Medienaufgebot, wie es Arnsberg nur selten sieht – machte sich Hannelore Kraft auf ihren Rundgang. Erste Station war das Bad ohne Wasser, das mit Vorschlägen und Mithilfe der Moosfelder Jugend umgebaute ehemalige Lehrschwimmbecken. Stadtplanerin Michaela Röbke berichtete von der Förderung durch das Programm Stadtumbau West, vom Quartiersmanagement, auch vom Stolz der Jugendlichen und von deutlich zurückgegangenem Vandalismus. Im Mooki, der offenen Ganztagsbetreuung, die 112 von 154 Grundschulkindern nutzen, wurde die Ministerpräsidentin von Stefanie Wolf und ihrem Team begrüßt und studierte neugierig die Weltkarte, auf der mit Passfotos und Wollfäden weit über 40 Länder erkennbar wurden, aus denen die Kinder stammen. Insgesamt haben über 90 Prozent der Schüler in Moosfelde einen Zuwanderungshintergrund, erfuhr Kraft vom Bürgermeister.
Hannelore Kraft sang Geburtstagslied
Besonders interessiert zeigte sich die Ministerpräsidentin am Projekt des gemeinsamen Familienzentrums, in dem sich der katholische und der evangelische Kindergarten zusammengefunden haben. Die Leiterinnen Diana Sohlbach und Edith Engelhardt berichteten von ihrer Arbeit, ihren Angeboten und ihren überwiegend erfolgreichen Bemühungen, alle Eltern zu erreichen – durch Quartalsflyer, durch Aushänge und immer wieder durch Ansprache Auge in Auge. Im Kindergarten nahm sich Hannelore Kraft auch Zeit für die Kinder, spielte mit im Sand, verriet einem Jungen, dass ihr Hund genauso heiße wie seiner, nahm ein Geschenk des kleinen Antoni entgegen, der gerade fleißig Deutsch lernt, und sang ein kleines Geburtstagslied. In den Jugendtreff, wo sich regelmäßig 20 bis 30 Jugendliche treffen, die um 12 Uhr mittags aber alle noch in ihren Schulen waren, konnte die Minsterpräsidentin mal ohne ihren Tross reinschnuppern. „Ein gutes Jugendzentrum, genug Platz zum Abhängen in mehreren Räumen,“ war ihr Urteil, als sie wieder heraus kam.
Kinderparlament nach Düsseldorf eingeladen
Wenige Schritte weiter überreichten ihr Kinder der Grundschule ihre Zeitung, die „Wackel-Zappel-News“. Hannelore Kraft versprach, sie anschließend während der Autofahrt zu lesen, da habe sie viel Zeit. Als sie erfuhr, dass die Gruppe das Kinderparlament von Moosfelde ist, sagte sie „Aha, Kollegen von mir!“ und fragte, wer den später mal in den Landtag wolle. Zaghaft hoben sich einige Hände. Kraft lud das komplette Kinderparlament zu einem Landtagsbesuch nach Düsseldorf ein und kam damit einem Wunsch zuvor, den die Kinder vorbringen wollten. Dann gab es noch ein Interview mit einer mutigen jungen Reporterin. „Ich habe mal nachschauen wollen, ob hier alles gut läuft“, sagte die Ministerpräsidentin, fragte die Kinder, ob sie den alle klar kommen, und sagte, dass sie es total schön hier finde, weil ganz viele Leute hier ganz viel geleistet hätten. Und dass sie es gut fände, wenn die Kinder sich später einmal auch so für andere Leute einsetzen würden. Danach musste sich Hannelore Kraft die blaue Kappe des Arche Noah-Kindergartens aufsetzen und mit ganz vielen Kindern für ein Gruppenfoto posieren. „Ich habe halt einen Dickkopf,“ erklärte sie den Kindern, als sie die Lasche der Kappe etwas größer stellen musste.
Ganz normale Bildungschancen
Ernster wurde es wieder im Gespräch mit Verena Backer, der Leiterin der Grundschule, von der Kraft etwas über die Entwicklung über die letzten Jahre wissen wollte. Seit der Einführung der Offenen Ganztagsschule hätten die Kinder täglich ihre Hausaufgaben gemacht und auch regelmäßig gelesen, zum Beispiel auch bei Besuchen im Kindergarten. Kinder, die zuvor im Kindergarten waren, könnten gut genug Deutsch, um dem Unterricht zu folgen. Und beim Übergang auf weiterführende Schulen gebe es eine ganz normale Verteilung auf Gymnasium, Realschule und Hauptschule, also keine Hinweise auf weniger Bildungschancen.
Kosten für Jugendhilfe unter dem Stadtdurchschnitt
Auch in der Abschlussrunde mit dem Bürgermeister fragte Kraft nach Messbarem. Vogel berichtete, dass die Ausgaben für klassische Jugendhilfe, umgerechnet auf die Bevölkerungszahl, in Moosfelde inzwischen sogar unter dem Durchschnitt der Gesamtstadt liege. Früher sei Moosfelde einsamer Spitzenreiter gewesen. Seit 2008, so Vogel weiter, habe es in Moosfelde keine Inobhutnahme eines Jugendlichen gegeben, die teuerste Form der klassischen Jugendarbeit. Vogel sprach von einem sozikulturellen Neustart, von einem Prozess, der noch einen langen Atem brauche, der Moosfelde aber wieder zu einem lebenswerten Stadtteil gemacht habe.