Auch bei der Redezeit, die vom Veranstalter genau mitgestoppt wurde, lagen Bittner und Erb nahezu gleichauf und blieben im Rahmen ihres 20-Minuten-Kontingents. Peluso erwies sich hier als recht wortkarg, hatte kurz vor Schluss noch zwölf Minuten auf der Uhr. Offenbar war das Reden vor großen Publikum für ihn noch ein wenig ungewohnt. Reinhard Wilhelm, der Kandidat der Familienpartei, war da das absolute Gegenteil. Der Rechtsanwalt zeigte sich überaus redefreudig und hatte bereits frühzeitig die 20-Minuten-Grenze überschritten. Das Publikum erfuhr viel von seinem alten Patenonkel, um den er sich kümmert, von der Ehefrau, die Ausländerin ist und in der Flüchtlingsbetreuung arbeitet, von den Kindern, die Förderschulen besuchen, und nicht zuletzt von den beiden Hunden, mit denen er sich über nicht barrierefreie Situationen ärgert. Auch die anderen Kandidaten gaben, wenn auch deutlich kürzer, private Einblicke. Bittner nannte etwa seine sechs Kinder, Erb das Drei-Generationen-Haus, in dem er mit Ehefrau, Töchtern und Schwiegereltern wohnt, Peluso seine Kindheit als italienischer Gastarbeiterjunge in Oeventrop.
Peluso: „Arnsberg stirbt vor sich hin“
Bittner wie Erb begannen ihre Beiträge mit Blick auf die Themenvorgabe des Gastgebers mit einem Loblied auf die Arbeit der Fachstelle Zukunft Alter in Arnsberg, die bundesweit anerkannt werde und vom Ex-Präsidenten Joachim Gauck mit einem Besuch gewürdigt wurde. Peluso dagegen sagte, er sei in die AfD eingetreten, weil in Arnsberg vieles schief gelaufen sei. Vieles sei versäumt worden und Arnsberg sterbe so vor sich hin. Wilhelm entgegnete, Arnsberg sei schön und habe in jedem Stadtteil Qualität, deshalb sei er mit seiner Familie hierhin gezogen.
Brückencenter: 1x1 nicht beachtet
Da das Publikum ausdrücklich aufgefordert wurde, Fragen zu stellen, und dies auch eifrig tat, entfernte sich die Diskussion bald von den Seniorenthemen. Nur kurz ging es noch um Barrierefreihet. Erb sagte, das Thema habe für ihn hohe Bedeutung. Deshalb könne er es nicht nachvollziehen, das beim Umbau des Brückencenters am Tor zum Europaplatz das 1x1 nicht beachtet worden sei. Bittner sagte, vielfach sei man auf einem guten Weg, etwa beim bevorstehenden Umbau des Alten Rathauses, dennoch müsse es Begehungen mit Behindertenvertretern geben, um danach entsprechende Anträge zu stellen.
Erb: Miteinander reden
Auf die Frage, was er als Rathauschef für Behinderte tun wollen, sagte Erb, er setze auf miteinander Reden, Verständnis und Sensibilität, wolle individuelle Lösungen finden. Bittner betonte die Bedeutung von Prävention. Zudem wolle er Mitarbeiter durch eine gute Work-Life-Balance binden. Peluso will so gut es geht behinderte einstellen. Wilhelm will eine Vorbildfunktion bei der Inklusion und auch mal einen Rollstuhlfahrer auf einen wichtigen Posten setzen.
Wilhelm: Inklusionsschule eine Mogelpackung
Über die Inklusion landete die Diskussion bei der Schulpolitik. Erb sagte, er wolle die Fröbelschule erhalten, und auch Bittner erklärte, er sei nie ein Freund der Schließung gewesen. Wilhelm nannte die Inklusionsschule eine Mogelpackung. Peluso nahm auch die Sekundarschulen ins Visier. Er sei für die Rückkehr zum alten System mit Realschule und Gymnasium. Für Unruhe im Saal sorgte er, als er parallele Grundschulen für Kinder mit und ohne Deutschkenntnisse forderte, denn es müsse nicht jeder gut finden, wenn zwei, drei deutsche Kinder mit 20,30 Migrantenkindern in einer Klasse seien.
Bittner: Schulentwicklungsplan aufstellen
Auf die konkrete Frage, ob sie gedenken, wieder eine zweite Realschule in Arnsberg aufzumachen, gaben Erb und Bittner kein ja oder nein als Antwort. Dafür müssten ihm erst umfangreiche Daten vorliegen, sagte Erb. Bittner forderte, zu allererst den von der SPD beantragten Schulentwicklungsplan aufzustellen. Der SPD-Kandidat wurde auch zum Thema Gesamtschule befragt. Er halte viel vom möglichst langen gemeinsamen Lernen und sehe deshalb auch die Gesamtschule positiv, sagte Bittner. Wenn aber vor Ort aber die vereinbarten Kooperationen zwischen Sekundarschulen und Gymnasien funktionieren, sehe er kurzfristig keinen Handlungsbedarf.
Interkommunale Gewerbegebiete
Auch das Thema Gewerbegebiete und Wirtschaftsförderung wurde angesprochen. Erb sagte, Arnsberg habe noch einige freie Flächen, deshalb gehe es ihm vor allem um die Infrastruktur, vor allem die digitale. Bittner meinte, es werde im Stadtgebiet schon arg eng mit Flächen. Deshalb sei eine der ersten Sachen, die er als Bürgermeister angehen werde, die Schaffung von interkommunalen Gewerbegebieten zusammen mit den Nachbarstädten. Peluso sagte, die Stadt Arnsberg habe jahrelang Politik gegen die Unternehmen gemacht, so dass viele abgewandert seien. Zudem beklagte er Steuerverschwendung. Im Gewerbegebiet am Arnsberger Bahnhof habe man Blödsinn veranstaltet. Durch die Altlastensanierung seien Millionen verbrannt worden. „Das hängt bei unserer generation, aber sollten wir die Flächen etwa nicht dekontaminieren?“, fragte Wilhelm.
„Warum gerade mich wählen?“
Den Abschluss des Abends bildete die Frage eines 18-jährigen Jungwählers an alle Kandidaten, warum er gerade ihn wählen solle. Arnsberg gebe sich so ausländerfreundlich, da sollten die Arnsberger doch die Gelegenheit nutzen, einen Ausländer als Bürgermeister zu wählen, sagte Emilio Peluso. Reinhard Wilhelm stellte heraus, dass er der einzige Volljurist unter den Kandidaten sei. Peter Erb sagte, dass er von außen komme und mit der Wirtschaftsbrille und der Bürgerbrille einen neuen Blick auf viele Themen mitbringe. Mit seiner Erfahrung im Stadtmarketing in Städten wie München, Bayreuth, Wiesbaden und Dortmund sei er auch in der Lage, die Stadt als Ganzes zusammenzuführen. „Ein Arnsberger, der stolz ist auf die Neheimer Fußgängerzone, ein Neheimer, der stolz ist auf den Arnsberger Schlossberg, das wäre schon eine Nummer!“, so Erb. Ralf Paul Bittner sagte, er sei der Kandidat, mit dem es nach sieben Monaten Pause am 5. Februar direkt weiter gehen könne. Er habe Verwaltung studiert, er kenne im Rathaus seit Jahren jeden Fachbereichsleiter, er kenne die Gremien von Stadtwerken, Sparkasse, Klinikum, Wirtschaftsförderung, er habe die Erfahrungen, die andere Kandidaten sich erst über Monate erarbeiten müssten. „Ich bin bereit!“, so Bittner.