Sundern. Für lebhafte Diskussionen im SUI-Ausschuss sorgten die Pläne eines Investors, auf dem Areal zwischen Fußgängerzone und Franz-Josef-Tigges-Platz ein nicht ganz kleine Wohn- und Geschäftshaus neu zu errichten. Die Politiker lobten die private Initiative und auch die Ausrichtung des Projekts auf den Schwerpunkt Wohnen und Gesundheit, äußersten aber auch Zweifel, ob dies der richtige Standort sei und ob nicht zuviel Fläche vom Tigges-Platz als wichtigem innerstädtischen Veranstaltungsort abgegeben werden müsse. Wenig erfreut bis verärgert zeigten sich die Politiker, dass sie erst so spät über ein Projekt informiert wurden, über das im Rathaus offenbar schon seit zwei Jahren geredet wurde, und erst recht darüber, dass sie trotz fehlender Informationen in der letzten Haupt- und Finanzausschusssitzung eine Vorlage beschließen sollten, eine Teilfläche des städtischen Platzes an privat zu verkaufen. „Jede Menge Beratungsbedarf in den Fraktionen“, das war einhellige Meinung der Politiker, die einstimmig die Vertagung beschlossen.
Vorwurf der Intransparenz
Mehrfach viel der Vorwurf der Intransparenz, der sich gegen Bürgermeister Brodel richtete, der allerdings nicht an der Sitzung teilnahm, was durchaus üblich ist. So war es Roland Tappe, Geschäftsführer des renommierten Projektentwicklers BAP aus Rheine, der immer wieder antwortete. Tappe sagte, es sei sein Stil, ein Projekt erst dann den Politikern zur Entscheidung vorzustellen, wenn er auch zusichern könne, dass er es auch realisieren könne. Und dass sei hier erst seit einigen Wochen, seit dem Abschluss der Vereinbarung mit dem Caritasverband, der Fall.
„Ihre Innenstadt retten geht nicht“
Tappe berichtete, dass er bereits 2016 von den Problemen Sunderns mit der Ansiedlung eines neuen Einkaufszentrums gelesen und sich daraufhin ins Auto gesetzt habe. Bereits bei seinem ersten Sundern-Besuch sei er mit einer Idee nach Hause gefahren – Wohnen und Gesundheit statt Handel. Denn der Handel sei im Wandel, Fußgängerzonen mit 40 Geschäften auf 300 Meter werde es in Sundern und auch in vielen anderen Orten nie mehr geben. „Ihre Innenstadt retten kann ich nicht, denn das geht nicht“, so Tappe. Neue Nutzungen mit Frequenzbringern und Aufenthaltsqualität müssten in die Innenstädte.
Rossmann, Caritas-Wohngruppen und Arztpraxen
Tappe machte Nägel mit Köpfen, sicherte sich zunächst die vier kleinteilig bebauten Grundstücke zwischen Fußgängerzone und Tigges-Platz und ging dann auf Partnersuche. Zusagen von Rossmann und vom Caritasverband sowie positive Signale aus der Sunderner Ärzteschaftschaft hat er in der Tasche. Als Frequenzbringer im Erdgeschoss ist der Drogeriemarkt Rossmann vorgesehen, der von seinem derzeitigen Standort in vergrößerte Räume umziehen könnte. Dazu sollen eine Apotheke und ein Sanitätshaus kommen. Im ersten Obergeschoss möchte der Caritasverband zwei Wohngruppen für betreutes Wohnen für jeweils zwölf Personen einrichten, in denen Betreuung rund um die Uhr möglich sein soll. In zweiten Obergeschoss sind Arztpraxen vorgesehen, die den Medizinern Möglichkeiten zur Kooperation geben.
Architektur noch offen
Der Investor sicherte zu, bei der architektonischen Gestaltung mit einem Gestaltungsbeirat der Politiker zusammen zu arbeiten. Bisher sei nur geplant, einen Baukörper „mit einem Gesicht zu drei Seiten“ zu errichten, dreigeschossig zur Straße und terrassenförmig zum Tigges-Platz. Bestehende Wegebeziehungen und Sichtachsen könnten erhalten werden und auch die alte Johannesschule habe eine gute langfristige Perspektive.
Kritik an Platzverkleinerung
Andreas Bahde von den BfS war der erste, der sich „sehr kritisch“ über die für diese Pläne notwendige Verkleinerung des Tigges-Platzes äußerte. Er regte eine kleinteiligere Lösung an, die das gesamte umliegende Areal einbeziehe. Tappe erwiderte, dass er lediglich 15 Quadratmeter der Pflasterfläche brauche und der Platz an anderer Stelle auch erweitert werden könne. Benötigt werden allerdings auch die Grünflächen und 17 Parkplätze. Und der Investor machte ganz deutlich: Ohne den Verkauf der städtischen Fläche werde es dieses Projekt hier nicht geben. Der Drogeriemarkt ziehe ja nur um, weil er sich vergrößern wolle, und auch der Caritasverband brauche diese Größe, um die 24/7‑Betreuung über die Pflegeversicherung der Bewohner zu finanzieren.
Interessant – wichtig – kollossal
Jürgen ter Braak (SPD) nannte das Nutzungskonzept mit einem medizinischen Zentrum in der City „wichtig, sinnvoll und notwendig“. Er wolle aber keinen Riegel zum Einkaufszentrum, der die Gestaltung des Plates beeinträchtige, da dieser große Bedeutung für Sundern habe. Auch eine gute Architektur sei ihm hier wichtig.
Ein sehr interessantes Projekt, dass aber vielleicht an einem anderen Platz besser aufgehoben sei, sagte Toni Becker (Grüne). Er schlug vor, eines der verkauften Häuser abzureißen, um den Durchgang von der Fußgängerzone zu verbreitern, um den Platz aufzuwerten und eventuell sogar den Wochenmarkt dorthin zu verlegen.
„Das wäre schon ein kollossales Bauwerk“, meinte auch Siegfried Huff (Linke) und forderte, das Projekt im Gesamtzusammenhang zu sehen und auf neue Leerstände an anderer Stelle zu achten. Auf seine Frage, was den aus den bisherigen Praxen umzugswilliger Ärzte werden solle, hatte der Investor eine klare Antwort. Die seien in aller Regel auch sehr gut als Wohnungen vermietbar oder auch als Büros.
„Maximale Irritierung“
CDU-Fraktionschef Stefan Lange nannte die Vorstellung des Investors schon ziemlich beeindruckend. Weit beeindruckender und für ihn „maximal irritierend“ sei jedoch, dass der Bürgermeister versucht habe, ein städtebauliches Filetstück an diesem Ausschuss vorbei an den Investor zu verkaufen. „Bei der Planung ist offensichtlich gänzlich vergessen worden, die politischen Entscheidungsträger einzubeziehen.“ Es gehe um ein großes Projekt für Sundern und einen Standort mit bewegter Planungsgeschichte, da sei es wichtig, alle mitzunehmen bei der Entscheidung, ob dies das richtige für Sundern sei. Die Einschätzung „maximal irritierend“ wurde von Bernd Schwens von der SPD ausdrücklich geteilt. Auch Alfred Heidbrink (FDP) hob vor allem auf den „politisch brisanten Prozess“ ab.
Frage nach den Parkplätzen
Hans-Dieter Latzer von der WiSu fand „die Idee völlig ok“, stellte aber die Frage nach den Parkplätzen und einer Tiefgarage. Roland Tappe erläuterte, dass lediglich drei oder vier Behindertenparkplätze an der Johannesschule übrig bleiben könnten, 17 bisherige Parkplätze entfallen. Geplant sei, die Stellplätze, die für das Gebäude nachgewiesen werden müssten, durch Ausgleichszahlungen an die Stadt abzulösen. „Ich glaube nicht, dass sie damit durchkommen. Die Sunderner reagieren da sensibel“, sagte Latzer. Lars Ohlig, zuständiger Fachbereichsleiter der Stadtverwaltung, verwies hier auf zahlreiche öffentliche Stellplätze in weniger als einer Minute Entfernung.
Wieder sechs Jahre nichts beschlossen?
SPD-Fraktionschef Michael Stechele nannte das Projekt „spannend“ und beklagte, dass die Politik seit 10 bis 15 Jahren über die Innenstadt diskutiere, ohne eine Entscheidung zu treffen, und dass dies in der laufenden mit über sechs Jahren besonders langen Wahlperiode möglicherweise auch nicht geschehen werde, denn der Wahlkampf stehe bereits vor der Tür.
Der Ausschussvorsitzende Markus Allefeld (CDU) schloss die Beratung mit dem Wunsch, dass es ein einmaliges Ereignis bleibe, dass die geregelten Abläufe offenbar nicht funktioniert haben.
(Eigener Bericht/oe)