Sundern. Sundern bekommt seinen ersten Bürgerentscheid. Dafür sorgte der Rat am Donnerstag abend, als er dem von der Bürgerinitiative Nelliusstraße in Hachen gestarteten Bürgerbegehren mit ganz breiter Mehrheit eine Abfuhr erteilte. lediglich FDP-Fraktionschef Oliver Brenscheidt stimmte mit Ja, seine Fraktionskollegin Dorothee Thiele enthielt sich der Stimme, alle anderen 37 Ratsmitglieder gaben in der namentlichen Abstimmung ein deutliches Nein zu Protokoll. Jetzt hat innerhalb von drei Monaten der Sunderner Wähler das Wort.
Aufforderung: Sich bei diesem Bürgerentscheid klar positionieren
SPD-Fraktionschef Jürgen Ter Braak appellierte bereits an den Sunderner Wähler, sich bei diesem Bürgerentscheid klar zu positionieren, zu zeigen, dass die Sunderner aus der Geschichte gelernt haben und ein Zeichen der Solidarität mit Unterdrückten und Verfolgten zu setzen. Die Entscheidung gegen eine Nelliusstraße nannte er unausweichlich. CDU-Fraktionschef Günter Martin sprach von einer erdrückenden und beklemmenden Last, die auf dem Namen Nellius liege. Antonius Becker, Fraktionschef der Grünen, die vor einem Jahr den Antrag auf Umbenennung der Nelliusstraße gestellt hatten, nannte Nellius einen aktiven Kulturpolizisten, der ideell den Völkermord an den Juden unterstützt habe. Für die FDP-Fraktion erklärte der stellv. Bürgermeister Rüdiger Laufmöller, dass die FDP zunächst den Bürgerwillen in den Vordergrund gestellt habe, dass die Fraktion nach den neuesten Erkenntnissen aber in ihrer Mehrheit der Meinung sei, dass Nellius keine Straße gewidmet werden dürfe. Er verband das mit klaren Worten an die Bürgerinitiative und sagte: „Zeigen auch Sie Courage und ziehen Sie Ihr Bügerbegehren zurück.“ Bürgermeister Detlef Lins ließ den Mitgliedern der Bürgerinitiative, die zahlreich im bis auf den letzten Platz besetzten Ratssaal vertreten waren, eine kurze Bedenkzeit, bevor er zur Abstimmung überging. Die Antwort aus den Reihen der BI kam nach wenigen Sekunden. „ja, wir wollen den Bürgerentscheid.“
Bürgerinitiative setzt auf „aussagekräftigste Form der Demokratie“
Vor den Fraktionen hatte Monika Müller als Sprecherin der BI Gelegenheit zu einem kurzen Statement, bei dem sie sich für den Bürgerentscheid als aussagekräftigste Form der Demokratie aussprach und auch von den vielen zustimmenden „Macht weiter!“-Aufforderungen berichtete, die bei der BI eingegangen seien. Jeweils 15 Minuten Redezeit hatte der Ältestenrat zuvor den beiden Historikern eingeräumt, die nochmals die Argumente pro und contra Nellius zusammenfassen sollten. Für die BI sprach Willi Klein, der Vorsitzende des Hachener Männerchors. Er sprach von einer posthumen Schmutzkampagne gegen Georg Nellius, vor dessen musikalischen Genie er sich verneige. Der Gegenseite warf er Hassexzesse und politisch motivierte Scheinmoral vor. Er bekam den Beifall aus dem Publikum, der Sunderner Historiker Werner Neuhaus anschließend aus dem Rund der Ratsmitglieder. Er nannte Nellius einen kulturpolitischen Steigbügelhalter des Nationalsozialismus im Sauerland, sprach von einem braunen Faden, der sich spätestens seit 1923 durch dessen Leben ziehe, von vielen tiefbraunen Giftpilzen im Korb seiner Vertonungen und schließlich von der Rolle als „Braun-Schweiger“, die sich Nellius bei der Entnazifizierung zugelegt habe.
Bürgerentscheid hat zwei Hürden: 20 Prozent und Mehrheit
Bürgermeister Detlef Lins sprach in einem kurzen Resümee von einer wichtigen Debatte, die das Bürgerbegehren in der Stadt Sundern angestoßen habe, und er erklärte, wie es jetzt weiter geht. Der Bürgerentscheid muss innerhalb von drei Monaten stattfinden. Eine Zusammenlegung mit der Europa- und Kommunalwahl ist nicht möglich, da diese Wahlen erst knapp drei Wochen nach Auslaufen der Frist stattfinden. Das Bürgerbegehren für den Erhalt des Namens Nelliusstraße ist erfolgreich, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind. Mindestens 20 Prozent der wahlberechtigten Sunderner müssen mit Ja stimmen und die Zahl der Ja-Stimmen muss höher als die Zahl der Nein-Stimmen sein. Derzeit, so Lins, wären 4722 Stimmen nötig, um das Quorum zu erfüllen, was sich bis zur Abstimmung noch leicht ändern kann. Auch einigen Ratsmitgliedern musste der Bürgermeister mit einer Beispielsrechnung auf die Sprünge helfen, um die etwas komplizierten Regeln zu erklären. Wenn etwa 4500 Sunderner Bürger mit Ja stimmen würden, wäre der Bürgerentscheid gescheitert, weil das 20-Prozent-Quorum nicht erreicht würde. Wenn 5000 Sunderner mit Ja, aber 5001 mit Nein stimmen würden, wäre der Bürgerentscheid ebenso gescheitert, weil er zwar das Quorum, aber keine Mehrheit erreicht hätte.