Csilla von Boeselager: Stiftung gedenkt Gründerin mit Zeitzeugengespräch

Dr. Rapha­el von Hoens­broech (links) und Ildi­kó von Ket­te­ler (2.v.r.) mit Part­nern der Stif­tung aus Odes­sa. (Foto: Anke Peters)

Arns­berg. Vor 30 Jah­ren ver­lor Csil­la von Boe­se­la­ger ihren Kampf gegen den Krebs. Die nach ihr benann­te Stif­tung erin­ner­te am Sonn­tag an die cha­ris­ma­ti­sche Exil-Unga­rin mit einem Zeit­zeu­gen­ge­spräch auf Schloss Höl­ling­ho­fen. Zuvor hat­ten die Stadt Arns­berg und das Land Nord­rhein-West­fa­len auf dem Markt­platz von Neheim eine Ste­le ent­hüllt, die an das Leben und Wir­ken des ‚Engel von Buda­pest‘ erinnert.

Vor 35 Jah­ren fiel die Ber­li­ner Mau­er. Doch die dra­ma­ti­sche Ent­wick­lung, die mit dem Mau­er­fall am 9. Novem­ber 1989 ihren Höhe­punkt erreich­te, begann schon frü­her. Bereits am 19. August 1989 hat­ten Ungarns Außen­mi­nis­ter Gyu­la Horn und sein öster­rei­chi­sche Amts­kol­le­ge Alo­is Mock nahe der unga­ri­schen Grenz­stadt Sopron ein Loch in den Grenz­zaun geschnit­ten und damit sym­bo­lisch den eiser­nen Vor­hang geöff­net. Er hat­te Euro­pa über fast vier Jahr­zehn­te geteilt.

Unzäh­li­ge DDR – Bür­ge­rin­nen und Bür­ger ergrif­fen dar­auf­hin die Gele­gen­heit, ihrem Land den Rücken zu keh­ren in der Hoff­nung, über Ungarn und Öster­reich in die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land aus­rei­sen zu kön­nen. Ihre Flucht ende­te jedoch in Buda­pest, weil zunächst nicht klar war, wie sich die unga­ri­schen Grenz­trup­pen ver­hal­ten würden.

Die am Sonn­tag ent­hüll­te Ste­le mar­kiert den ers­ten „Frau­en­Ort“ in Arns­berg. Sie erin­nert hat das Leben und Wir­ken von Csil­la von Boe­se­la­ger. (Foto: Anke Peters)

Zeitzeugen erinnern an dramatische Zustände

Über die dra­ma­ti­schen Zustän­de in und vor den Toren der unga­ri­schen Haupt­stadt tau­schen sich am Sonn­tag auf Schloß Höl­ling­ho­fen Zeit­zeu­gen jener Tage aus. Im Mit­tel­punkt stand dabei die Rol­le Csil­la von Boeselagers.

„Die Deut­sche Bot­schaft war wie in einem Schock­zu­stand“, erin­nert sich Regie­rungs­rat a. D. Dr. Klaus Her­mann Ring­wald. Der Diplo­mat war damals in Wien sta­tio­niert, um für Deutsch­land die KSZE-Abrüs­tungs­ver­trä­ge zu ver­han­deln. Über Nacht erhielt er Anwei­sung, sich unver­züg­lich in der Deut­schen Bot­schaft Buda­pest einzufinden.

Ring­wald: „Nie­mand hat­te mit dem Ansturm so vie­ler Men­schen gerech­net. Es fehl­te an prak­tisch allem, von der Zahn­bürs­te bis zum Pass­for­mu­lar.“ In der Bot­schaft, so Ring­wald, gab es zum Bei­spiel für 200 Per­so­nen nur drei Toi­let­ten. „Nie­mand von uns hat­te eine Idee, wie man so vie­le Men­schen, die nach dem Grund­ge­setz ja Anspruch auf kon­su­la­ri­sche Betreu­ung hat­ten, ver­sor­gen kann. Es hat­te bis dahin nur weni­ge Ein­zel­fäl­le gege­ben, die dann meist unter Ein­be­zie­hung des Rechts­an­walt Vogel aus der DDR mehr oder weni­ger geräusch­los gelöst wurden.“

„Csilla von Boeselager hatte nach 90 Minuten einen Plan.“

„Csil­la war zu der Zeit Gast in der Resi­denz des Deut­schen Bot­schaf­ters. Sie wur­de gefragt, wie man das Pro­blem mit den geflüch­te­ten Lands­leu­ten lösen kön­ne. Zwei Tele­fo­na­te und 90 Minu­ten spä­ter hat­te sie eine Lösung für die Ver­mei­dung einer huma­ni­tä­ren Kata­stro­phe. Wir selbst hat­ten kei­nen Plan B“, so Ring­wald im Zeitzeugengespräch.

Auch The­re­sia von Key­ser­lingk erin­nert sich gut an die Tage in Buda­pest. Als enge Freun­din Csil­las konn­te sie unmit­tel­bar mit­er­le­ben, wie sich die Ver­hält­nis­se in den bei­den Not­la­gern Zug­li­get und Csil­le­bérc entwickelten.

Das Team rund um Csil­la von Boe­se­la­ger orga­ni­sier­te in den dar­auf­fol­gen­den Wochen prak­tisch alles, um am Ende fast 36.000 Men­schen mit dem Not­wen­digs­ten zu ver­sor­gen. „Am wich­tigs­ten aber war für die völ­lig ver­ängs­tig­ten und trau­ma­ti­sier­ten Men­schen, dass da jemand war, bei dem sowohl orga­ni­sa­to­risch, kom­mu­ni­ka­tiv und mensch­lich die Zügel zusam­men­lie­fen. Sie war, der Typ: Geht nicht, gibt’s nicht!“, so Zeit­zeu­gin The­re­sia von Keyserlingk.

Zahlreiche Ehrungen für Csilla von Boeselager – Stiftung setzt Nothilfe-Arbeit fort

Csil­la von Boe­se­la­ger wur­de für ihr beherz­ten Ein­grei­fen im Spät­som­mer 1989 viel­fach geehrt. Unter ande­rem erhielt sie das Bun­des­ver­dienst­kreuz am Ban­de, die Libo­ri-Medail­le, die Ehren­pla­ket­te und Ehren­me­dail­le der Stadt Arns­berg, den Euro­päi­schen Preis für Men­schen­rech­te oder den Preis Frau­en für Euro­pa. Die Stadt Arns­berg und das Land Nord­rhein-West­fa­len wid­me­ten ihr nun den ers­ten „Frau­en­Ort“ in NRW. Die Ste­le wur­de am Sonn­tag vor dem Sau­er­län­der Dom fei­er­lich von Bür­ger­meis­ter Ralf Paul Bitt­ner enthüllt.

Die von Csil­la von Boe­se­la­ger begon­ne­ne Not­hil­fe-Arbeit für die jun­gen Demo­kra­tien Ost-Euro­pas wird heu­te durch die Csil­la von Boe­se­la­ger Stif­tung fort­ge­setzt. Die Stif­tung unter­hält der­zeit 14 Not­hil­fe-Pro­jek­te in Ungarn, Rumä­ni­en, Polen, Ser­bi­en und in der Ukraine.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(Quel­le: Csil­la von Boe­se­la­ger Stif­tung Ost­eu­ro­pa­hil­fe e.V.)

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