Sundern. Früher konnte die CDU in Sundern wie in anderen Städten im Sauerland aufstellen, wen sie wollte: Er wurde oder blieb Bürgermeister. Doch die Zeiten und politischen Verhältnisse haben sich geändert, gerade in Sundern. Die CDU ist dort zwar weiterhin stärkste Partei und wird es voraussichtlich bei der Ratswahl am 13. September 2020 bleiben. Aber im Rathaus residiert seit 2015 ein SPD-Mann. Und die Affären und Fehlentwicklungen, die zur Ablösung seines CDU-Vorgängers Detlef Lins geführt haben, sind in der Stadt nicht vergessen. Ob die CDU bei der parallel stattfindenden Bürgermeisterwahl das Amt zurückerobern kann, ist deshalb zweifelhaft. Zumal die Partei gespalten ist, nicht anders als die Orts-SPD und die Grünen.
Nach einem monatelangen Auswahlprozess nominierte am Mittwochabend eine Mitgliederversammlung den stellvertretenden Bürgermeister Georg Te Pass im ersten Wahlgang mit 67,6 Prozent als Herausforderer von Brodel und Willeke. Er setzte sich klar gegen seine Mitbewerber Markus Allenfeld und Claudia Hachenei durch. Te Pass kündigte an, er wolle Sunden wieder in ruhiges Fahrwasser bringen. Die vergangenen vier Jahre des Stillstands hätten gezeigt: „Die SPD kann nicht Bürgermeister.“
Das größte Handicap des CDU-Kandidaten und seiner Partei ist jedoch: Altbürgermeister Detlef Lins, den sie 2015 nach langem innerparteilichem Kampf nicht wieder aufgestellt hatte, weil gegen ihn wegen Betrugsverdachts ermittelt wurde, setzt sich wie sein Vorgänger Friedhelm Wolf und weitere Mitglieder mit starkem Einfluss in der Partei für den Gegenkandidaten Klaus-Reiner Willeke ein. Der tritt zwar als unabhängiger Bewerber an, ist aber Mitglied der Grünen und wird von diesen unterstützt. Auch die FDP soll hinter ihm stehen.
Motiv von Lins und Wolf, die auf der Versammlung fehlten, dürften vor allem Rache und Abrechnung mit der jetzigen Führung der Orts-CDU und Te Pass sein. Denn der gehörte 2014 und 2015 mit dem Partei- und Fraktionsvorsitzenden Stefan Lange und dessen Stellvertreter Sebastian Booke zu den entschiedensten Gegner einer Wiederwahl von Lins. Dazu kommt, dass beide Altbürgermeister wie andere aus dem CDU-Unterstützerkreises für Willeke, darunter das aus der CDU-Fraktion ausgetretene Ratsmitglied Klaus Tolle und Ex-Fraktionschef Martin, enge Verbindungen zu den örtlichen Unternehmern unterhalten. Das Kalkül dürfte sein, Willeke, den Wolf und Lins zum Leiter der Volkshochschule Arnsberg-Sundern gemacht hatten und dessen Vater erster CDU-Stadtdirektor von Sundern war, für ihre Zwecke einspannen zu können, wenn sie Stimmen für ihn aus dem CDU-Lager werben und so dafür sorgen, dass er Bürgermeister wird.
Das verringert die Chancen von Te Pass, der ohnehin mit den CDU-Altlasten zu kämpfen hat. Lange, der von den Mitgliedern mit 93,7 Prozent der Stimmen als Vorsitzender bestätigt wurde, zog in einer kämpferischen Rede klare Kante gegen das Wolf- und Lins-Lager. „Ich werde nicht länger dulden, dass sich Mitglieder parteischädigend verhalten und einen Kandidaten unterstützen, der alles andere als unabhängig ist“, sagte er. „Ich erwarte von den Mitgliedern, dass alle unseren Kandidaten zu 100 Prozent unterstützen.“ Die Bürger hätten sich 2015 mit Recht für einen Wechsel im Rathaus entschieden, weil die CDU Fehler gemacht habe. Die Parteiführung habe versucht, die Fehler zu korrigieren – allerdings zu spät. Die Zeit seitdem seien verlorene Jahre gewesen. Nach einer „Stadt der Pleiten“ sei Sundern heute „eine Stadt des gefühlten Chaos und des Misstrauens“. Brodel sei nur auf Machterhalt fixiert und habe Zwietracht gesät.
Te Pass nannte das klare Votum der Mitglieder „Auftrag und Verantwortung“. Der 61Jährige kündigte an, er werde nur für eine Amtszeit kandieren, aber versuchen, in dieser Zeit neue Dinge anzuschieben. Er wolle die Sparpolitik fortsetzen, aber mit Augenmaß und ohne weitere Kürzungen beim Personal, die Innenstadtentwicklung und den Breitbandausbau voranbringen, die dörfliche Infrastruktur – insbesondere die Kindergärten und Schulen dort – erhalten, neue Gewerbeflächen schaffen und die städtischen Gesellschaften neu organisieren. Brodels Pläne für den Tiggesplatz lehnte er ab. Der Platz dürfe nicht „der Gewinnmaximierung einiger weniger“ dienen. Er schlug vor, die jetzige VHS zu einem Musik- und Kulturzentrum auszubauen und statt die Röhrtalbahn wiederzubeleben über deren Trasse eine Schwebebahn zu errichten – als Attraktion auch für Touristen.
Auf Abstand ging Te Pass zu dem Ferienpark-Projekt in Amecke, das Wolf und Lins betrieben hatten. Er wolle keine 200 Ferienhäuser, sondern einen sanften Tourismus und Nachhaltigkeit. Die CDU dürfe allerdings auch „nicht grüner werden als die Grünen“.
Fraglich bleibt allerdings, ob er die Chance bekommen wird, seine Vorstellungen umzusetzen. Das wird vor allem davon abhängen, wie sich der neuerliche Machtkampf in der CDU entwickelt.
Ludwig Greven