Sundern. Der erste Schritt zur vorzeitigen Abwahl des Beigeordneten Meinolf Kühn ist getan. In der Ratssitzung am Dienstag haben 21 von 40 Ratsmitgliedern ihren Antrag zur Einleitung einer Abwahl zu Protokoll gegeben, also exakt die für diesen Schritt notwendige einfache Mehrheit. Ob aber die Abwahl, die nach Einhaltung einer vorgeschriebenen Sechs-Wochen-Frist dann in der nächsten Ratssitzung im April ohne weitere Aussprache erfolgen soll, die notwendige Mehrheit findet, ist derzeit zweifelhaft. Dann sind nämlich zwei Drittel der Stimmen erforderlich und die fehlenden sieben Stimmen müssten aus den Reihen der CDU und der beiden fraktionslosen Ex-CDUler kommen. Die CDU sagt derzeit aber Nein, spricht von einem Skandal zu Lasten des Steuerzahlers und fordert im Nachgang zur Ratssitzung ein Mediationsverfahren, um die „unprofessionellen“ Differenzen zwischen Bürgermeister und Beigeordnetem beizulegen.
Meinolf Kühn noch bis 2019 gewählt
Die Differenzen zwischen Brodel und Kühn seien, wie beide im Dezember erklärten, bereits unmittelbar nach dem Amtsantritt des neuen Bürgermeisters im Oktober zu Tage getreten und beruhten auf unterschiedlichen strategischen Ansichten. Kühn, der bereits seit zwei Jahrzehnten Beigeordneter und damit Stellvertreter des Bürgermeisters in der Funktion als Leiter der Stadtverwaltung ist, hatte deshalb selbst um seine Abwahl gebeten. Der inzwischen fast 64-Jährige ist als Beigeordneter allerdings noch bis Sommer 2019 gewählt. Sein eigenes Dezernat in der Stadtverwaltung hatte er bei der Verwaltungsreform noch unter Bürgermeister Lins bereits verloren und es war Konsens unter den Fraktionen, dass die Stelle des Beigeordneten nach Ende der Wahlperiode Kühns nicht neu besetzt werden solle. Kühn selbst fungiert derzeit kommissarisch als einer von fünf Fachbereichsleitern. Brodel hatte zudem angekündigt, er wolle eine neue Stabsstelle Stadtentwicklung schaffen, bisher Kühns zentraler Tätigkeitsbereich.
CDU: Dilettantisches Vorgehen
Mit der gemeinsamen Erklärung im Dezember war auch der Fahrplan mit den Ratssitzungen im Februar und April verkündet worden. Doch darauf folgte eine Zeit rechtlicher Unsicherheiten und Irritationen, die noch bis in die Ratssitzung hineinreichte. „Dass ein Beigeordneter selbst um seine Abberufung bittet, ist nach unseren Recherchen ein Novum in ganz NRW,“ sagte CDU-Fraktionschef Stefan Lange, der gleichwohl dem Bürgermeister und der Verwaltung dilettantisches Vorgehen vorwarf und von maximaler Verunsicherung sprach. Denn bis zuletzt hatte die CDU-Fraktion vergeblich darauf gewartet, dass der Punkt auf der Tagesordnung auftaucht. Auch der fraktionslose Klaus Tolle bemängelte, dass es keine Vorlage gebe, die über Einzelheiten des Abwahlverfahrens und vor allem auch fiskalische Folgen informiere. Auch Lange sagte, er wolle „eine saubere Vorlage“.
21. Unterschrift vom Bürgermeister
Auf Antrag von SPD-Fraktionschef Michael Stechele landete der Punkt dann doch auf der Tagesordnung und das sogar ganz vorne. Stechele entschuldigte sich allerdings gleich auch. Ihm habe bisher nur die rechtliche Einschätzung vorgelegen, dass der Punkt nur mit einem Initiativantrag während der Sitzung auf die Tagesordnung gebracht werden könne. Erst am Tag der Sitzung habe er erfahren, dass das auch anders machbar gewesen sei. Bürgermeister Brodel erläuterte, dass der Antrag auf Einleitung des Abwahlverfahrens auch schriftlich erfolgen könne. Im Sinne von Kommunikation und Transparenz begrüße er es allerdings, dass darüber diskutiert werde. Am Ende der Diskussion setzte Brodel seinen Namen als 21. Unterschrift unter den Antrag, die die Fraktionen von SPD,WISU, FDP und Grünen bereits vor der Sitzung vorbereitet hatten, so das keine Abstimmung im Rat erfolgte.
Überhangmandate zählen mit
Zu den unterschiedlichen rechtlichen Beurteilungen, die es im Vorfeld der Sitzung gegeben hatte, gehörte auch die Frage, ob Überhangmandate bei den erforderlichen Mehrheiten mit berücksichtigt werden müssen. Wegen der Vielzahl der vertretenen Parteien war der Sunderner Rat nach der Wahl von 2015 von 38 auf 40 Mitglieder aufgestockt worden. Nach aktuellem Stand muss eine Zwei-Drittel-Mehrheit von allen 40 Ratsmitgliedern erreicht werden. Siegfried Huff von der Linken bezweifelte, dass der Bürgermeister bei dieser Frage mitstimmen dürfe und dass überhaupt die einfache Mehrheit für die Abwahleinleitung vorliege.
Appell zum Zusammenraufen
Neben aus seiner Sicht nach wie vor großen rechtlichen Unsicherheiten beklagte Lange auch die fiskalischen Auswirkungen einer Abwahl. Nach Berechnungen der CDU koste es den Sunderner Steuerzahler rund 210.000 Euro, wenn der Beigeordnete vorzeitig in Pension gehe. Und dass in Zeiten, wo um jede 10.000 Euro hart gerungen werde. Deshalb sollten sich die beiden Spitzenbeamten zum Wohle der Stadt zusammenraufen. Lange appellierte an die anderen Fraktionen, ob es Sinn mache, ihren Antrag aufrechtzuerhalten, denn die CDU könne definitiv nicht zustimmen.
Bürgermeister: „Bitte, bitte keine Blockade“
Bürgermeister Brodel lieferte genaue Zahlen. Wenn der Beigeordnete vorzeitig in Ruhestand gehe, erhalte er knapp 72 Prozent seiner Bezüge. Bis zum Ende der Wahlperiode müsse die Stadt Sundern dafür rund 230.000 Euro ausgeben. Sie spare allerdings auch 52.000 Euro, denn es werde zwar ein neuer Fachbereichsleiter bestellt werden müssen, doch die Stelle des Beigeordneten falle weg und es gebe keine A 16-Stelle mehr. Brodel appellierte zudem an die Ratsmitglieder: Lassen Sie es nicht zu einer vier Jahre langen Blockade kommen. Bitte, bitte tun Sie das der Stadt nicht an.“ Brodel bot auch an, zusammen mit Kühn in jede einzelne Fraktion zu kommen und dort „open end“ zu diskutieren.
SPD: „Fiskalische Krokodilstränen der CDU“
Marius Ross (CDU) beklagte, dass durch die Abwahl des Beigeordneten die Hälfte der gerade beschlossenen Grundsteuererhöhung wieder verloren gehe. Auch den Verlust an Kompetenz in Person des Beigeordneten thematisierte er. Michael Stechele warf dagegen der CDU „fiskalische Krokodilstränen“ vor, denn die habe in der Vergangenheit Einsparvorschläge der SPD massenhaft alle abgelehnt. Stefan Lange konterte, man könne der CDU doch wohl keine Blockadehaltung unterstellen, nachdem die letzten beiden Haushalte fast einstimmig verabschiedet worden seien. FDP-Fraktionschef Rüdiger Laufmöller warnte vor Stillstand in der Stadtverwaltung. Aus seiner Sicht seien die Kosten der Abwahl der weit geringere Schaden. Auch Hans Klein (WISU) plädierte für die Abwahl, „auch wenn wir wissen, was es kostet“. Und Toni Becker (Grüne) sah in einer Abwahl „ein ganz pragmatisches Stück Verwaltungsreform.“ In der Privatwirtschaft sei so etwas bei unterschiedlichen Auffassungen über die Unternehmensstrategie durchaus üblich und koste auch Geld, sagte Michel Stechele und sprach von einem „sauberen Verfahren“, während Klaus Tolle „Mitgefühl“ für den betroffenen Beigeordneten äußerte. Bürgermeister Brodel sagte, es gehe hier nicht um den Streit kleiner Kinder, die im Sandkasten sitzen und sich mit Sand bewerfen, sondern um die Gesamtentwicklung Sunderns in den nächsten Jahren.
Mediation wesentlich günstiger
- Die CDU-Stellungnahme im Wortlaut: CDU-Stellungnahme Abwahl Beigeordneter