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Bunte Bilder für die Ewigkeit in Wedinghauser Grafengruft

Die far­bi­gen Male­rei­en in der Gruft haben über die Jahr­hun­der­te hin­weg nicht an Strahl­kraft ver­lo­ren. Foto: LWL/W. Essling-Wintzer

Arns­berg. In Arns­berg haben Archäo­lo­gen des Land­schafts­ver­ban­des West­fa­len-Lip­pe (LWL) eine Ent­de­ckung gemacht, die euro­pa­weit eine Sel­ten­heit ist: Im Klos­ter Weding­hau­sen haben die Wis­sen­schaft­ler im Zuge von Sanie­rungs­ar­bei­ten die mit­tel­al­ter­li­che Gruft der gräf­li­chen Stif­ter­fa­mi­lie geöff­net. Über­ra­schend zeig­te sich, dass die Wän­de der Grab­kam­mern mit kunst­vol­len, 700 Jah­re alten Bil­dern ver­ziert waren. Von der­art auf­wän­dig bemal­ten Kam­mern sind in Euro­pa nur sehr weni­ge Bei­spie­le bekannt.

LWL-Archäologen öffnen Grafengruft

Die Gra­fen­gruft liegt inmit­ten des Kapi­tel­saals vor der Kapel­le.
Foto: LWL/W. Essling-Wintzer

Das aus einer gemau­er­ten Kam­mer bestehen­de Grab liegt in der Mit­te des ehe­ma­li­gen Kapi­tel­saals. Es misst 2,10 Meter in der Län­ge und 80 Zen­ti­me­ter in der Brei­te. Sei­ne ver­putz­ten Wän­de sind voll­stän­dig mit bun­ten Fres­ken geschmückt. Am Fußen­de der Kam­mer befin­det sich eine Kreu­zi­gungs­dar­stel­lung. Zur Lin­ken des Gekreu­zig­ten steht Jesu Lieb­lings­jün­ger Johan­nes, zur Rech­ten Maria, die ihre Hän­de vor der Brust gefal­tet hat.

Verbindungen nach Flandern

Mit Figu­ren bemal­te mit­tel­al­ter­li­che Grab­kam­mern sind aus West­fa­len bis­lang unbe­kannt. Aus ganz Euro­pa gibt es Bei­spie­le unter ande­rem aus Kir­chen in Bonn, Lübeck und Brüg­ge. „Die Ent­de­ckung in Arns­berg zeigt, dass West­fa­len schon im Mit­tel­al­ter Teil eines inter­na­tio­na­len Net­zes mit kul­tu­rel­lem Aus­tausch war“, erläu­tert die LWL-Kul­tur­de­zer­nen­tin Dr. Bar­ba­ra Rüsch­off-Par­zin­ger. Damit weist sie auf die Ver­bin­dung nach Flan­dern hin, die sich in der Gra­fen­gruft spie­gelt: In Brüg­ge und Umge­bung fin­den sich die ältes­ten und meis­ten Grä­ber die­ser Art. Hein­rich I. hat­te über sei­nen Vater Gott­fried von Cuyk, Burg­graf von Utrecht, unmit­tel­ba­ren Bezug zu der Region.

Erstaunlich guter Zustand

„Die Male­rei­en sind in einem erstaun­lich guten Zustand“, freut sich Gra­bungs­lei­ter Wolf­ram Ess­ling-Wint­zer. „Das liegt dar­an, dass es sich um ech­te Fres­ken han­delt. Dar­aus erklärt sich die noch heu­te vor­han­de­ne Leucht­kraft.“ Zuerst leg­te der geüb­te Maler eine gro­be Vor­zeich­nung an, indem er die Umris­se der Figu­ren in den noch feuch­ten Wand­putz drück­te. Damit sich die Farb­pig­men­te mit dem Putz ver­bin­den konn­ten, muss­te er zügig die schwar­zen Lini­en der Figu­ren zie­hen. Anschlie­ßend mal­te er in Rot- und Grün­tö­nen die Gewän­der aus. Auf den frei­en Flä­chen zwi­schen den Figu­ren ent­fal­tet sich kunst­vol­les Ran­ken­werk. Ihrem Stil nach ent­stam­men die Male­rei­en den Jah­ren zwi­schen 1320 und 1340.

Rücksichtslosigkeit und Puzzle

Der Ein­bau eines Pfeil­erfun­da­men­tes zer­stör­te im 19. Jahr­hun­dert Tei­le der Grab­le­ge. Foto: LWL/W. Essling-Wintzer

Vor die­sem Hin­ter­grund ist es beson­ders bedau­er­lich, dass die Kam­mer zur Hälf­te zer­stört ist. Anfang des 19. Jahr­hun­derts wur­de an die­ser Stel­le ohne Rück­sicht auf das mit­tel­al­ter­li­che Grab­mal ein Fun­da­ment für einen Pfei­ler ange­legt. In der mit Schutt ver­füll­ten Kam­mer fan­den sich noch zahl­rei­che Bruch­stü­cke des bemal­ten Wand­put­zes. Nach ihrer Ber­gung wer­den sie fach­män­nisch gerei­nigt und mit­tels eines Lasers drei­di­men­sio­nal gescannt. Anschlie­ßend kön­nen die ein­zel­nen Tei­le nach Art eines Puz­zles am Com­pu­ter zusam­men­ge­setzt wer­den. Die­ses Vor­ge­hen bie­tet für die ori­gi­na­len Fun­de größt­mög­li­chen Schutz.

DNA-Analyse der Knochenfunde

Zeit­ge­nös­si­schen Schil­de­run­gen zufol­ge wur­de die Grab­stät­te kurz nach der Auf­he­bung des Klos­ters im Jah­re 1804 geplün­dert. Den Berich­ten nach barg man aus der Gruft drei Schä­del und wei­te­re Kno­chen. Daher fan­den sich jetzt nur noch weni­ge Bruch­stü­cke von Kno­chen, die bei der gewalt­sa­men Öff­nung des Gra­bes acht­los weg­ge­wor­fen wor­den waren. Heu­te jedoch besit­zen die­se Kno­chen einen hohen Wert für die Wis­sen­schaft. Eine DNA-Unter­su­chung soll Hin­wei­se lie­fern, wer in der Gruft bestat­tet war. „Die moder­ne Archäo­lo­gie arbei­tet eng mit den Natur­wis­sen­schaf­ten zusam­men“, so Prof. Micha­el Rind, Direk­tor der LWL-Archäo­lo­gie für West­fa­len. „Wir erhof­fen uns Ant­wor­ten auf Fra­gen etwa zu Alter und Gesund­heits­zu­stand der Bestatteten.“

Verwandschaftsverhältnisse interessant

Über der Gruft stand bis zum Jahr 1804 das Hoch­grab mit den Lie­ge­fi­gu­ren von Hein­rich II. und sei­ner Frau Ermen­gar­dis. Foto: LWL/W. Essling-Wintzer

Von noch grö­ße­rem Inter­es­se aber ist, in wel­chem ver­wand­schaft­li­chen Ver­hält­nis die drei Ver­stor­be­nen zuein­an­der stan­den. Die schrift­li­che Über­lie­fe­rung und ande­re Indi­zi­en las­sen ver­mu­ten, dass es sich um die Gebei­ne Graf Hein­richs I., sei­nes Soh­nes Hein­rich II. und des­sen Gat­tin Ermen­gar­dis han­delt. Das Paar ist mit Sicher­heit zu iden­ti­fi­zie­ren. Über der Grab­kam­mer stand näm­lich bis 1804 das Hoch­grab mit den Lie­ge­fi­gu­ren des Ehe­paa­res. Heu­te befin­det es sich in der Props­tei­kir­che. Zeigt die DNA-Ana­ly­se dar­über hin­aus, dass Kno­chen­ma­te­ri­al zwei­er männ­li­cher Per­so­nen mit nahe­zu iden­ti­schem Erb­gut vor­liegt, wären Hein­richs I. sterb­li­che Über­res­te belegt.

Stiftung ermöglicht Sicherung

Die auf­wän­di­ge Unter­su­chung und anschlie­ßen­de Siche­rung der mit­tel­al­ter­li­chen Grab­kam­mer wird geför­dert von der treu­hän­de­ri­schen Emil und Han­na Flatz-Stif­tung in der Deut­schen Stif­tung Denkmalschutz.

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