Arnsberg/Sundern. „Die Bürgerbusbewegung ist eine der besten Bürgerinitiativen, die das Land hat, denn sie fordert nicht, dass jemand etwas macht, sondern sie macht sich selbst auf den Weg.“ Das sagt MdL Lutz Lienenkämper, parlamentarischer Geschäftsführer und Verkehrsexperte der CDU-Landtagsfraktion. „Der Bürgerbus ist erfolgreich im Sauerland, die Zahl der Vereine und der beförderten Passagiere wird weiter wachsen, nicht zuletzt mit dem in der Vorwoche neu gegründeten Bürgerbusverein Arnsberg.“ Das sagt Michael Breier aus Sundern, Vorstandsvorsitzender des Bürgerbus-Verbunds Sauerland-Hellweg mit derzeit neun angeschlossenen Vereinen und vier Anfragen. Breier sieht aber auch Probleme – vor allem mit dem „wachsenden Bürokratie- und Statistikwust, der die Bürgerbusse lähmt“. Seine Sorgen hat er in großer Runde bei einem Arbeitsessen mit Landtagsabgeordneten, Landräten, Bürgermeistern und Verkehrsfachleuten im Neheimer Rodelhaus kundgetan. Lutz Lienenkämper und sein Arnsberger Landtagskollege Klaus Kaiser wollen die Sorgen in den Düsseldorfer Landtag tragen.
Sicherheit der Fahrgäste hat Priorität
Auch er habe nicht allzu viel Verständnis dafür, dass für kleine Bürgerbusvereine mit ein oder zwei Achtsitzern und ehrenamtlichen Fahrern, die vier Mal am Tag eine Strecke fahren, die gleichen Bestimmungen gelten wie für die großen Verkehrsunternehmen mit Hunderten von Linienbussen, sagte Lienenkämper, machte allerdings eine Einschränkung: „Bei sicherheitsrelevanten Fragen darf es keine Kompromisse geben, ein ehrenamtliches Unfallopfer ist gleich traurig wie ein hauptamtliches.“ Das sieht Breier aber genauso. Er will seine Fahrer, die „unentgeltlich, in ihrer Freizeit und oft im dritten Lebensabschnitt“ unterwegs sind, davon entlasten, Kilometerstände notieren und Strichlisten über Fahrgastzahlen führen zu müssen. Sie sollen sich ganz auf den Verkehr und ihre Fahrgäste konzentrieren können und so für mehr Sicherheit sorgen.
Das Hauptzollamt will es genau wissen
Ziemlich daneben findet Breier auch, dass die Bürgerbusvereine zeitnah und detailliert ans Hauptzollamt melden müssen, wie viele Kilometer jeder einzelne Bürgerbus für Passagierfahrten, für Marketingfahrten und für Werkstattfahrten unterwegs war. Viele Statisikaufgaben seien den ebenfalls ehrenamtlichen Vereinsvorständen gar nicht mehr zuzumuten, so Breier. Er selbst habe sich Anfang des Jahres zwei Wochen lang durch Kilometerlisten von 120 verschiedenen Bürgerbusfahrern gequält und ebenso viele verschiedene Handschriften entziffern müssen. „Das sind Fallstricke, die wahrscheinlich nicht gewollt sind, aber das Ehrenamt erschweren,“ sagte Klaus Kaiser. Und Kollege Lienenkämper meinte etwas süffisant, die Existenz der Hauptzollämter wäre vermutlich nicht bedroht, wenn sie diese Daten von den Bürgerbusvereinen nicht hätten.
Pilotprojekt beim Bürgerbus Sundern entlastet Ehrenamtliche
Zumindest für den Bürgerbusverein Sundern gehören einige dieser Probleme in Kürze der Vergangenheit an. Dort startet am 1. April ein Pilotprojekt. Mit dem Sunderner Sytemhaus Hartmann wurde ein Elektronik-Paket geschnürt, das den Fahrern die Arbeit erleichtern soll. Der morgendliche Telefonanruf bei der Zentrale wird überflüssig, ebenso das Ausfüllen des Fahrtenbuchs. Kilometerstände werden automatisch registriert, wenn die Fahrer das System mit ihrem individuellen Schlüssel starten, und auch die Fahrgastzählung per Knopfdruck soll möglich werden. Im Prinzip könnte das System auch festhalten, wann der Fahrer wo in welchem Gang gefahren ist. „Aber das wollen wir nicht, deshalb haben wir nur die Light-Version gekauft,“ sagte Breier. Die hat allerdings noch eine Sicherheitsoption. So macht das System Meldung, wenn der Bürgerbus eine gewisse Zeit in einem Funkloch steckt oder wenn er, nachdem er abends auf einem Sunderner Hof abgestellt wurde, später plötzlich in Dortmund auftaucht.
Das Land gibt Geld, das Land nimmt Geld
Breier beklagt aber nicht nur Bürokratie, sondern auch finanzielle Belastungen, die den Bürgerbussen den Alltag erschweren. So zahle das Land zwar an jeden Bürgerbusverein eine Organisationspauschale von 5000 Euro jährlich, kassiere über die Bezirksregierung aber auch für kleinste Veränderungen beim Fahrplan. So koste die Änderung einer Haltestelle auf Zuruf 20 Euro, für zwei neue Haltestellen müsse der Verein 60 Euro zahlen. „Die rechte Hand gibt, die linke Hand nimmt, das kann nicht gut sein,“ sagte Breier, unter dessen Regie im Vorjahr 47.000 Passagiere zwischen Marsberg und Balve in die Bürgerbusse gestiegen sind. Mit dem neuen Verein, der in Arnsberg voraussichtlich ab Jahresende Niedereimer, Bruchhausen, Hüsten, Müschede und Wennigloh anfährt, erwartet er eine Steigerung auf mindestens 60.000 Passagiere.
Für Transport von Rollstuhlfahrern noch keine Lösung in Sicht
Ein letztes Problem, das in der „sehr produktiven“ Runde angesprochen wurde, ist der Transport von Rollstuhlfahrern. Der ist bei der derzeitigen technischen Ausstattung der Bürgerbusse nicht möglich, wird aber von Behindertenverbänden recht nachdrücklich gefordert. Michael Breier hält eine generelle Beförderung von Rollstuhlfahrern aber „für schlicht nicht umsetzbar“. Zum einen koste eine Nachrüstung für Rollstuhltransport pro Bus 12.000 bis 15.000 Euro, die das Land nicht zahle. Zum anderen gebe es Gewichtsprobleme, denn ein Elektrorollstuhl wiege 350 Kilo und die Busse seien jetzt oft schon „an der Kante“ des zulässigen Gesamtgewichts von 3,5 Tonnen. Breier fragte auch, ob denn beim Zusteigen eines Rollstuhlfahrers in einen mit sieben Passagieren voll besetzten Bus drei davon aussteigen müssten. Zwischen 32 und 39 Prozent der Fahrgäste seien auch jetzt schon Schwerbehindert und das Durchschnittsalter liege bei 68 Jahren. Von der Zeit und den Fahrplänen wolle er gar nicht erst reden, so der hauptamtliche Bürgerbus-Manager. Die praktische Frage, wie denn der Transport von Rollstuhlfahrern im ländlichen Raum sichergestellt werden könne, müsse letztlich politisch und völlig losgelöst von den Bürgerbussen entschieden werden, stellte Lutz Lienenkämper abschließend klar. „Von einer Lösung, bei der die Bürgerbusse über die Wupper – oder über die Sorpe – gehen, haben wir nichts.“
Eine Antwort
Der Vorsitzende des Bürgerbusverbundes, Michael Breier, hat Klartext gesprochen und die Vertreter aus dem Landtag haben ihr Unterstützung zugesagt.
Das freut mich insbesondere vor dem Hintergrund der soeben erfolgten Bürgerbusgründung in Arnsberg.