Oeventrop. Die Brückenplaner von Straßen:NRW waren am Donnerstag abend mit zwei Zielen nach Oeventrop angereist. Sie wollten den Bewohnern die Alternativen für den Neubau der Dinscheder Brücke vorstellen und ein Meinungsbild mitnehmen. Letzteres bekamen sie in aller Deutlichkeit. Rund 300 Oeventroper machten mit ihrer Teilnahme und engagierten Diskussionsbeiträgen deutlich, wie wichtig ihnen das Thema ist. Und sie gaben das klare Signal, dass eine zweijährige Vollsperrung dieser wichtigen innerörtlichen Verbindung „ein absolutes No-Go“ ist. Am Ende es Abends konnten die Bürger mit berechtigter Hoffnung auf eine Behelfsbrücke oder zumindest eine Verschiebelösung einigermaßen beruhigt den Heimweg antreten.
„Wollen keine Vollsperrung verkaufen“
„Die Varianten mit Vollsperrung hätten Sie hier gar nicht anschleppen brauchen!“, empörte sich ein Bürger. „Wir machen das immer so, dass wir im frühen Stadium der Bürgerbeteiligung alle Möglichkeiten darstellen“, antwortete Lars Voigtländer, der im Laufe des Abends gebetsmühlenartig wiederholte, dass er und seine Kollegen nicht gekommen seien, um den Oeventropern eine Vollsperrung zu verkaufen. „Wir arbeiten ohne Denkverbote und entscheiden uns für das Sinnvollste.“ Er machte nochmals deutlich, dass die 85 Jahre alte Brücke ersetzt werden müsse, weil sie marode und schon jetzt nur noch eingeschränkt nutzbar sei. Und er versprach den Oeventropern, dass sie keinen Berliner Flughafen erleben werden. Ein Baubeginn in 2020 sei realistisch und nach zwei Jahren werde die neue Brücke dann fertig sein.
Drei Ablaufvarianten
Neben vier Ausführungsvarianten stellte Voigtländer auch drei Ablaufvarianten vor:
- Variante I wäre der Bau einer neuen Brücke in jetziger Lage nach Abbruch des Bestandbauwerks. Dies ist die wirtschaftlichste Variante mit geringer Flächeninanspruchnahme, geringem Grunderwerb und geringster Bauzeit, hat aber den gravierenden Nachteil einer Vollsperrung der L 735 für voraussichtlich zwei Jahre. Das bedeutet eine Verlängerung der Einsatzgrundzeit des Rettungsdienstes und die Trennung der Ortsteile und der bestehenden Infrastruktur – Schulen, Kitas, ÖPNV, Einkaufsmärkte, Ärzte, Apotheken, Sportanlagen, Banken, Altenwohnheime.
- Variante II wäre der Bau der Brücke in jetziger Lage nach Bau einer seitlichen Behelfsbrücke und Umlegung des Verkehrs auf die Behelfsbrücke. Vorteile wären die dauerhafte Aufrechterhaltung des Verkehrs – abgesehen von zweimal ein oder zwei Tagen für die Umlegung des Verkehrs – und die Beibehaltung der Einsatzgrundzeit des Rettungsdienstes. Nachteile wären erhöhte Baukosten, zusätzliche Flächeninanspruchnahme in der landschaftlich wertvollen Ruhraue, geringfügige Verschlechterung der Hochwassersituation, erhöhter Grunderwerb und möglicherweise auch Schwierigkeiten bei der Verfügbarkeiten von Ersatzbrücken.
- Variante III wäre der Bau des neuen Brückenüberbaus zunächst in seitlicher Lage auf Behelfsunterbauten und die spätere Verschiebung der Fahrbahn auf den neuen Brückenunterbau. Die alte Brücke würde erst abgerissen, wenn der Verkehr über den neuen Überbau fließen kann. Das Verschieben würde eine Vollsperrung von maximal zwei Monaten erfordern. Vorteile dieser variante sind eine ebenfalls (fast) dauerhafte Aufrechterhaltung des Verkehrs und Beibehaltung der Einsatzgrundzeit des Rettungsdienstes. Nachteile sind auch hier erhöhte Baukosten, zusätzliche Flächeninanspruchnahme in der landschaftlich wertvollen Ruhraue, eine geringfügige Verschlechterung der Hochwassersituation, höherer Grunderwerb und die zwischenzeitliche Sperrung der L 735 beim Einschub des neuen Überbaus.
Wirtschaftlichkeit contra Menschenleben
„Sie reden von Wirtschaftlichkeit, wollen sie deswegen etwa Menschenleben riskieren?“ fragte ein Oeventroper Bürger und ein Feuerwehrmann schilderte die Konsequenzen, wenn er auf dem Weg von Zuhause ins Gerätehaus und von dort zum Einsatzort zweimal statt der Dinscheder Brücke die Umleitung über Wildshausen nehmen müsse. Manfred Schomberg, bei den Stadtwerken für die Arnsberger Straßen zuständig, berichtete, dass es wegen der Einsatzzeiten bereits Gespräche mit der Stadt gegeben habe, und zeigte sich überzeugt, dass eine Lösung gefunden werde, bei denen die Einsatzgrundzeiten auch eingehalten werden.
Vorbild Marsberg mit Behelfsbrücke
„Wir werden eine vernünftige Lösung finden!“, versicherte auch Straßen.NRW-Planerin Sandra Buschkühl unter dem Beifall des Publikums und berichtete vom aktuellen Projekt in Marsberg. Dort werde derzeit unter noch schwierigeren Umständen die Diemelbrücke neu gebaut, die auch dort den Ort trenne. Dort habe sie mit einer einstreifig befahrbaren und Ampel geregelten Behelfsbrücke geplant. Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste könnten dort eine Vorrangschaltung nutzen, die bei Einsätzen die Ampel sofort auf Grün springen lassen.
Verkehr nur einstreifig möglich
Lars Voigtländer stellte auf Nachfrage klar, dass nicht nur die Behelfsbrücke, sondern aus Sicherheitsgründe auch die eigentlich zweispurige Verschiebebrücke nur einstreifig genutzt werden könne. Er betonte auch, dass die Schwierigkeiten, eine passende Behelfsbrücke zu bekommen, wegen der recht engen Größenvorgaben durchaus realistisch sein könnten. Zudem verdeutlichte er, dass die zweimonatige Vollsperrung bei der Verschiebe-Variante ein Maximalwert sei, dass es bei günstigen Umständen auch in der halben Zeit gehen könnte.
„Danke für die Emotionalität!“
„Danke auch für Ihre Emotionalität, das war ein ganz wichtiger Input für unsere Abwägung“, sagte Lars Voigtländer zu Abschluss der knapp anderthalbstündigen Veranstaltung. Weitere Schritte bis zum Baubeginn sind jetzt die Gesamtabwägung mit Einbezug der Impulse aus dieser Bürgerinformation, weitere Abstimmungen mit Kommune, Trägern öffentlicher Belange und vorgesetzten Dienststellen, die Erstellung des Entwurfes, der Beginn von Grunderwerbsverhandlungen, die Schaffung des endgültigen Baurechts über den sogenannten „Fall unwesentlicher Bedeutung“, also ohne formales Planfeststellungsverfahren, aber unter Berücksichtigung aller relevanten Belange und schließlich Ausschreibung und Vergabe.