Sundern. „In schwierigen Zeiten sind wir auf Kurs, aber segeln hart am Wind, um unseren Zielhafen, Haushaltsausgleich 2022 zu erreichen“ schloss Bürgermeister Ralph Brodelseine Haushaltsrede in der Ratssitzung am Donnerstag. „Dieser Haushalt ist genehmigungsfähig“, hatte zuvor Kämmerin Ursula Schnelle gesagt, als sie den Politikern den Haushaltsentwurf, an dem bis zum letzten Tag gearbeitet worden ist, zur Lektüre in den Herbstferien übergab. Danach wird in Fraktionen und Ausschüssen über mögliche Änderungen beraten, bevor der Haushalt 2018 im Dezember im Rat beschlossen werden soll.
Volkssport Schimpfen
Stolze 20 DIN A4-Seiten umfasste das Manuskript der Haushaltsrede, in der Brodel auf die aktuellen Herausforderungen und die wichtigsten Projekte des kommenden Jahres einging. Dabei gab er auch ein klares Bekenntnis zur Reaktivierung der Röhrtalbahn ab, auch wenn das den städtischen Haushalt nicht tangiert. Gleich zu Beginn seiner Rede forderte Brodel eine Kultur der gegenseitigen Achtung ein. Denn es sei ein geübter Volkssport geworden, auf die Verwaltung zu schimpfen. Anerkennung habe es selten gegeben, Verständnis noch weniger. „So ist ein Klima entstanden, was leider weit weg ist von dem, was dringend notwendig ist, um die kommenden Herausforderungen gemeinsam zu bestehen.“
Millionen für Zukunft der Schulen
Gleich anschließend hatte der Bürgermeister aber Erfreuliches zu berichten. „Die Einnahmen sprudeln!“ Die Gewerbesteuer sei 2017 um 1,3 Mio. Euro auf 19 Mio. gestiegen, für 2018 sei eine stabile Seitwärtsbewegung oder auch leichte Steigerung zu erwarten. Die Einkommenssteuer sei von 12 auf 12,6 Mio. geklettert und 2018 könnte nochmals eine halbe Million dazukommen. Rund vier Mio. aus Umsatzsteuer und Einheitslastenausgleichsgesetz bedeuten eine Mio. mehr als in diesem Jahr und aus Förderprogrammen wie Gute Schule 2020 und dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz fließen über 2,1 Mio. nach Sundern. „Das ist gut so,“ so Brodel, „muss allerdings auch in vielen Projekten umgesetzt und betreut werden. Wobei jetzt schon klar ist, dass wir mit einer gleichen Anzahl von Technikern und Ingenieuren in kürzester Zeit ein erhebliches Mehr an Aufgaben umzusetzen haben.“ Im Bereich Bildung gehören dazu lange aufgeschobene Renovierungen von Schulgebäuden und deren Breitbandverkabelung.
Überstunden für bürgernahe Verwaltung
Brodel kündigte an, den Weg der modernen kommunikativen Bürgerverwaltung konsequent weiterzugehen, auch wenn dies Überstunden koste. „Ich wage die Behauptung, dass unsere Stadtverwaltung in den Bereichen Offenheit, Transparenz und Bürgerbeteiligung auf einem mehr als nur guten Weg ist“, so Brodel, „weil wir auch dort das Bürgergespräch einplanen und suchen, wo es vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben ist.“
Innenstadtentwicklung soll diesmal keine 30 Jahre dauern
Massiv soll auch in die Zukunft der Innenstadt investiert werden. 2018 soll im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts InSEK 2025 die Rahmenplanung eingeleitet werden. „Damit ist die dringend erforderliche Umkehr vom reinen Einkaufs- und Versorgungsplatz als alleiniger Funktion der Innenstadt hin zum pulsierenden und bunten Herzen Sunderns gesichert“, sagte Brodel und versprach, dass es diesmal nicht so lange dauern werde wie bei der 1965 angestoßenen Innenstadtsanierung, die erst 1996, nach über 30 Jahren, abgeschlossen wurde. Jeder einzelne Euro sei hier mehr als nur gut angelegt, so der Bürgermeister. „Denn es wird nicht nur uns allen beim Einkaufen und Verweilen gut tun, sondern am Ende auch einen Teil der vielen Besucher des Sorpesees in unser Zentrum bringen. Denn wir haben ja kein Problem zu weniger Besucher, sie sind nur ein wenig falsch verteilt. Auf der anderen Seite ist der Besucherstrom an der Sorpe auch einfacher und klarer Beleg dafür, das Wasser eine unglaubliche Faszination ausübt.“
Neues Zuhause für Männer in Orange
Investieren wird auch in moderne technische Dienste, 2018 zunächst mit Planungskosten. „Die verrichten ihre anstrengende und fordernde Arbeit seit Jahrzehnten in einem Gebäude, dessen Kurzbeschreibung jede Diskussion über Sinn oder Unsinn einer solchen Investition obsolet macht“, so Brodel. „Es fängt an mit Umkleiden im Freien, geht über Absturz gefährdete Dachteile bis hin zu fehlenden Trocknungskammern oder Büros, die völlig überbelegt sind. Gerade die Männer in Orange, die bei Wind und Wetter für uns unterwegs sind, haben verdient, dass sie bedarfsgerecht ihrer Arbeit nachgehen können.“
Bürgerwindpark absolut wünschenswert
Im Konjunktiv sprach der Bürgermeister über Investitionen in die Windkraft auf städtischem Gelände. Hier stehen noch die sehnlichst erwarteten Stellungnahmen der neuen Landesregierung zu ihrer künftigen Windenergiepolitik aus. Brodel machte keinen Hehl daraus, dass er einen Bürgerwindpark für absolut wünschenswert erachte. Es sei bereits mit zwölf möglichen Betreiberfirmen gesprochen worden, so dass der Rat eine breite Auswahl hätte.
Mit Röhrtalbahn auf die Gewinnerseite
In Sachen Röhrtalbahn will Brodel die Entscheidung forcieren, um eins der scheinbaren Ewigkeitsthemen endlich der Lösung zuzuführen. „Für uns stellt sich die einmalige Chance, auf die Gewinnerseite zu wechseln. Die Mobilität von morgen ist vernetzte Mobilität. Jedes zusätzliche Netzwerk zählt also weit mehr als heute. Und das Bahnnetz erfährt, gerade bei jungen Leuten, eine Renaissance, die noch vor wenigen Jahren nicht abzusehen war“, sagte Brodel, der den Bahnanschluss an Arnsberg, Dortmund und den Rest der Republik auch als aktive Wirtschafts- und Tourismusförderung begreift.
Bewegung beim Ferienpark Amecke
Auch beim Ferienpark gebe es endlich Bewegung, so Brodel. „Einerseits durch die Risikoanalyse, als auch durch die klare Entscheidung, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen, Stichwort Anschlussgebühren, so dass sich die Investoren mehr als nur genötigt sehen zu reagieren. Mittlerweile sind wir die ersten Schritte gegangen, so dass ich zuversichtlich bin, dass wir hier ebenfalls in den nächsten Monaten klare und zukunftsweisende Entscheidungen treffen können.“
Organisationsuntersuchung kein Luxus
„Mehr Großprojekte mit der gleichen Anzahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das ist eine echte Leistung“, so Brodel.“ Um mit der gleichen Anzahl von Köpfen immer mehr Projekte zu steuern und umzusetzen, ist eine externe Organisationsuntersuchung kein Luxus, sondern dringend geboten. Eine solche Untersuchung wird eingefahrene Wege von Oben betrachten können, die diejenigen, die jeden Tag auf denselben Wegen unterwegs sind, nicht erkennen können. Die hier zu erwartenden Effizienzgewinne brauchen wir schon heute und sie sind morgen noch viel wichtiger.“ Ein forcierterer Personalabbau dürfte, so der Bürgermeister, gar nicht in Frage kommen. Weil die Babyboomer-jahrgänge jetzt in den Ruhestand gehen, werde die Stadtverwaltung bis 2036 die Hälfte ihrer Mitarbeiter verlieren, durchschnittlich elf pro Jahr. „Deshalb muss die Frage sein, wie wir Fachkräfte für morgen gewinnen, gerade im mittleren Dienst. Daher sollen ab nächstes Jahr auch wieder jedes Jahr zwei Ausbildungsstellen besetzt werden, um so den uns erreichenden Fachkräftemangel zu begegnen.“
Skepsis bei Stadtwerke-Kooperation
Brodel kündigte an, verstärkt die Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit zu nutzen, insbesondere mit Arnsberg, wenn dort im Februar der neue Bürgermeister gewählt sei. Er warnte die Politiker aber auch davor, dies als ein Allheilmittel für die Finanzprobleme der Kommunen zu sehen. Skeptisch äußerte er sich auch zu einem Einstieg der Stadtwerke in den Strom- und Gasvertrieb. Ein Umbau der eigenen Stadtwerke erfordere das Auswechseln der Führungsmannschaft und Millioneninvestitionen bei ungewissen Umsatz- und Gewinnzahlen. Im Bürgermeisterbüro würden in regelmäßigen Abständen Stadtwerke anklopfen und Kooperation und Beteiligung anbieten. „Die einen freundlich, die anderen ein wenig aggressiver“, so Brodel. „Nach meiner Erfahrung wird man bei sehr gut laufenden Geschäftsmodellen nicht permanent angefragt, doch bitte mitzumachen, damit man die rosigen Gewinne noch besser verteilen kann.“ Deshalb, so Brodel zu den Ratsmitgliedern, sollte man die weiteren Handlungsoptionen gemeinsam genau abwägen. Als chancenreich bewertet Brodel dagegen eine Übertragung des Nutzungsrechts des Kanalnetzes an den Ruhrverband.
Lob für Stabsstelle Wirtschaftsförderung
„Die Stabsstelle der Wirtschaftsförderung hat sich bis heute sehr dynamisch entwickelt, erfährt eine gute Akzeptanz bei den Unternehmen vor Ort und ist bestens vernetzt“, sagte Brodel und verwies zugleich auf die bestehenden Herausforderungen bei der die Entwicklung von Gewerbeflächen – die Finanzierung und der eventuell notwendigen Tauschs von Waldflächen in der Größenordnung von 60 bis 80 Hektar. Zudem kündigte er eine Branchenstrukturanalyse an, die ein wesentlich umfangreicheres Abbild der Wirtschaftskraft und der Potentiale des Wirtschaftsraums liefern werde.
Stadtmarketing unverzichtbar
Für das Stadtmarketing kündigte Brodel das Jahr der Entscheidung an, denn es bekomme 2018 letztmals einen Zuschuss von 100.000 Euro. Das Stadtmarketing sei für ihn unverzichtbar, um das Produkt Stadt in seiner Gesamtheit zu vermarkten, so Brodel, brauche aber ein strategisches Konzept und einen professionellen Rahmen, der auch eine angemessene Finanz- und Personalausstattung bedeute. Bei der jetzigen Stadtmarketing eG liege der Focus auf Citymanagment und startegische Arbeit sei in diesen Strukturen nicht leistbar.
Sport- und Kulturförderung bleibt
Die Sport- und Kulturförderung werde im Haushaltsentwurf ohne jegliche Einschränkung weitergeführt, so Brodel, denn sie habe eine gesellschaftspolitische Funktion für Zusammenhalt und Identifikation. Zudem soll im Jugendbüro eine zusätzliche Stelle für die offene Jugendarbeit geschaffen werden. „Damit ist gerade in der wichtigen präventiven Sozialarbeit eine erhebliche Steigerung der Qualität möglich, als auch, mittelfristig, eine Kostenreduzierung in den Bereichen der allgemeinen und akut eingreifenden Sozialarbeit“, so der Bürgermeister, er darauf verweist, dass die Betreuung eines einzigen Jugendlichen im Extremfall 140.000 Euro im Jahr kosten kann. Bei Fallzahlen, die seit 2015 auf hohem Niveau stabil sind, führen allein Kostensteigerungen im Jahr 2018 zu Mehrausgaben von 0,75 Mio. Euro bei familienergänzender und familienersetzender Hilfe. Denn Überlegungen, das eigene Sunderner Jugendamt abzugeben, erteilte Brodel eine Absage. Das sei durchgerechnet und führe zu keiner Ergebnisverbesserung, sondern nur zu weniger Steuerungsmöglichkeit.
Düsseldorf spielt mit dem Feuer
Als katastrophal und nicht hinnehmbar bezeichnete Brodel die finanzielle Ausstattung für die Aufnahme von Flüchtlingen seitens des Landes. Sundern rechne für 2018 mit ungedeckten Kosten von über 1,1 Mio. Euro. Das entspreche einem Kostendeckungsrad von nur noch 58 Prozent gegenüber 90 Prozent in 2016. „Ein Spiel mit dem Feuer, welches hier in Düsseldorf gewagt wird. Denn damit wird das, was an positiver und nachhaltiger Integrationsarbeit mühevoll geleistet wurde und wird, im Kern möglicherweise gefährdet. Und das kann niemand wollen!“, so Brodel.
Schuldenabbau geht voran
Zum Schluss wies Brodel darauf hin, dass Schuldenabbau der langfristigen Verbindlichkeiten weiter Fahrt aufgenommen habe und sich von 2,5 Mio. auf 4,6 Mio. in 2015 fast verdoppelt habe. Ende 2017 habe Sundern noch 22,9 Mio. € langfristige Verbindlichkeiten.