Arnsberg. Frei und gut gelaunt – eine so ausgelassene Stimmung unter Menschen, die vor Krieg, Terrorismus und Zerstörung flohen, sieht man selten. Denn oftmals bestimmen Existenzängste, Alpträume und Sorgen zum Aufenthaltsrecht ihren Alltag. Doch Cricket macht’s möglich. Mit Cricket fühlen sie sich frei. Mit Cricket können sie wieder lachen. Einfach entspannen!
Cricket – Integration von und durch Sport
“Wenn man sie fragt, was sie in Deutschland am meisten vermissen, kommt sofort: Cricket!”, hatte Claudia Brozio, Engagierte im Patenschaftsprogramm “Menschen stärken Menschen” des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, einst gesagt. Grund genug für sie und ihren Mann Klaus, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um den jungen Menschen genau dies zu ermöglichen. So entstand der Kontakt zur Deutschen Cricket Union. „Wir wollen ermöglichen, dass Menschen – alt, jung und herkunftsunabhängig – die Gelegenheit bekommen gemeinsam Sport zu machen. Für diese jungen Leute aus Afghanistan ist Cricket besonders wichtig – deswegen sind wir da!“, sagt Neil Townsend, Geschäftsführer.
Bowlen und batten – für Groß und Klein
Die Rundturnhalle in Arnsberg ist nun Schauplatz eines besonderen Examples geworden. Denn hier zeigten die afghanischen Teamplayer, was es heißt, Cricket zu spielen. Sie gaben Interessierten die Möglichkeit, selbst zum Schläger und Ball zu greifen. Völlig unabhängig von Alter oder Herkunft. „Es stellt eine immense Herausforderung dar, 4921 km von der Heimat entfernt ein neues Leben zu beginnen. Ein Leben in einer fremden Kultur – mit einer fremden Sprache – weit weg von Familie und Freunden. Ich freue mich, dass die jungen Männer aus verschiedenen Ländern einen Weg gefunden haben, sich ein Stück weit heimisch zu fühlen – mit Cricket!“, so Bürgermeister Ralf Paul Bittner innerhalb seiner Begrüßungsrede.
Auch Ravi Navaratnam, 1. Vorsitzender der DCU, Heike Bienstein, Vereinsmanagerin des TV Arnsberg, und Mr. David Perrin vom Club Cricket Conference London, der extra aus England angereist war, fanden ein paar Worte zur Begrüßung. Neben dem eigentlichen Sinn und Zweck des „Tag des Crickets“, nämlich das Cricketspielen kennenzulernen, fanden zahlreiche Gespräche statt. Aufklärend, informierend und vor allem wohlwollend. Berichte über die Integration geflohener Menschen in Arnsberg, Sorgen und Probleme derselben oder auch Zukunftsträume- bzw. wünsche.
Integration besteht aus mehreren Teilen
„Ich kann nur jedem empfehlen, einfach mal vorbeizugehen und zu sehen, wie herzlich diese Menschen sind. Wie sie einen ins Spiel einbeziehen und zeigen, was sie dort genau machen“, sagt Thomas Reiter. Er ist Ausbildungsleiter bei der Firma Gebro Herwig Haustechnik GmbH, wo der Mannschaftskapitän Samiullah derzeit eine Ausbildung absolviert. Die Firma zeigt sich, wie viele andere Firmen in Arnsberg auch, sehr engagiert im Umgang mit geflohenen Menschen – ermöglicht Ausbildungen, greift unter die Arme und sponserte sogar die Trikots für die „Arnsberger Löwen“. „Man muss sich darauf einlassen – auf die Menschen, auf die Kultur und auch auf die Religion“, stellt Thomas Reiter fest. Gleiches gelte für Cricket. „Ich habe Cricket auf meiner Reise in Indien bereits vom Rande aus gesehen – daher kannte ich das Spiel. Auf diese Sportart, die in Deutschland recht neu erscheint, sollten wir uns auch einlassen. Wenn wir Cricket googeln, finden wir viel. Wir haben es bislang nur nicht so wahrgenommen!“
Der TV Arnsberg ließ sich ein und gründete am 1. März dieses Jahres seine erste Cricket-Mannschaft. „Heike Bienstein wurde angesprochen – aufgrund der Situation, dass genügend Förderer da waren und es für uns finanziell erst mal keine Belastung darstellte, haben wir zugestimmt. (…) Und es ist vielleicht auch eine Chance, auch Deutsche mit einer neuen Sportart zu dieser zu animieren“, so Herbert Gillert, Vorstandsmitglied des TV Arnsberg.
Förderer und Sponsoren der „Arnsberger Löwen“
Es ist der Geschichte der „Arnsberger Löwen“ bereits zu entnehmen, dass sich nicht nur der TV Arnsberg 1861 e.V., der Förderverein Wendepunkt e.V., die Stadt Arnsberg, die Firma Gebro Herwig Haustechnik GmbH oder auch die beiden Lions Clubs (Neheim-Hüsten und Arnsberg-Sundern) engagieren, um Cricket in Arnsberg zu etablieren, sondern insbesondere auch die Deutsche Cricket Union, Organisation Lord´s Taverners und zu guter Letzt auch die Club Cricket Conference aus England.
Das Ziel der DCU, der Lord´s Taverers und auch der NRW Cricket Union liegt klar auf der Hand: Sie möchten Cricket in Deutschland etablieren. Der Titel „Integration durch Cricket“, der immer wieder fällt, birgt jedoch ein viel tiefgründigeres Ziel. „Wir versuchen, uns mit den deutschen Leuten zusammenzubringen – also Kinder, die in Deutschland geboren sind, zum Cricketspielen zu bringen. Das ist auch ein Teil von Integration!“, erklärt Shuja Ahmed, Ligaleiter NRW Cricket Union.
Es geht also weniger um die Art von Integration, wie wir sie bislang sahen, als vielmehr darum, Menschen verschiedenster Herkunft, insbesondere auch in Deutschland geborene Menschen, durch Cricket miteinander zu verbinden. Mr. David Perrin, Club Cricket Conference, brachte es innerhalb seiner Begrüßung auf den Punkt: „Cricket hat eine besondere Kraft, Freundschaften zu schließen und Bindungen aufzubauen – innerhalb der Länder und über Grenzen hinweg!“
Cricket bestenfalls auch in Schulen
Neil Townsend, Ravi Navaratnam und Shuja Ahmed wünschen sich einfach, dass der Sport Cricket in Deutschland Fuß fasst – insbesondere auch als Damensport. „Heike Bienstein“, so Ravi Navaratnam,„kann das schaffen. Sie ist sehr engagiert. Sie könnte eine Damenmannschaft gründen.“
Cricket in Schulen – ebenfalls ein großer Traum der DCU. „Bislang hatten wir leider keinen Erfolg, was die Integration von Cricket im Schulsport angeht“, sagt Ravi Navaratnam. „In der Zusammenarbeit mit Arnsberg könnte sich dies ändern – wir haben bereits mehrere interessierte Schulen!“ Darunter auch die Agnes-Wenke-Sekundarschule, dessen Schulleiter und stellv. Schulleiter, Andreas Schauerte und Thomas Wunderlich, ebenfalls Gäste beim „Tag des Crickets“ waren.
Auch älteren Generationen soll der dynamische Sport nicht vorenthalten werden – hier liegen ebenfalls die ersten Ideen vor, wie Neil Townsend sagt: „Mit einer Übungsanlage – einem Netz – könnten insbesondere auch ältere Menschen vorbeikommen und ein paar Schläge und Würfe üben – zu Zweit. Mit einem Netz geht das. Und wir könnten diesen Leuten dann auch anbieten, an einem Spiel teilzunehmen!“ Ein „Freundschaftsspiel“ zwischen älteren Menschen könnte mit einem Picknick am Rhein in Bonn verbunden werden – der Kreativität, um Menschen zusammenzubringen, sind keine Grenzen gesetzt.
Insgesamt war der „Tag des Crickets“ ein sowohl spannender als auch informativer Tag – für Groß und Klein, Jung und Alt, einfach für alle!
Thora Meißner
- Multimediale Reportage hier