Arnsberg. Die Politiker im Ausschuss für Wirtschaft und Beschäftigung wollen in der Stadt Arnsberg – möglichst in Verbindung mit der Nachbarstadt Sundern – einen Sozialen Arbeitsmarkt schaffen, der nach dem Prinzip des Aktiv-Passiv-Transfers funktionieren soll. Mit einem einstimmigen Votum aller Fraktionen setzten sie am Montag abend ein politisches Signal, dass dieser Weg beschritten werden soll. Ein Weg, auf dem allerdings auch noch der Kreis, das Land und der Bund mitgehen müssen.
Lösung für auf Dauer nicht vermittelbare Personen
Der Soziale Arbeitsmarkt ist ein Arbeitsmarkt für Personen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt auf Dauer nicht vermittelbar sind. Für Langzeitarbeitslose und Hartz IV-Empfänger, bei denen gleich mehrere Vermittlungshemmnisse zusammen kommen. Vermittlungshemmnisse sind dabei insbesondere Suchterkrankungen, fehlende Qualifikation, Alter, Sprachdefizite und Migrationshintergrund. Der Chef der Arbeitsagentur schätzt diese Klientel bundesweit auf etwa 200.000 bis 300.000 Personen. Für Arnsberg und Sundern wären das wohl einige hundert Personen.
Programme bekommen Problem bisher nicht in den Griff
Das Thema Sozialer Arbeitsmarkt wurde im Fachausschuss für Wirtschaft und Beschäftigung seit vielen Jahren immer wieder diskutiert. In den letzten anderthalb Jahren haben nun Caritas-Verband Arnsberg-Sundern und Volkshochschule Arnsberg-Sundern intensiv gemeinsam an diesem Thema gearbeitet. Die Ergebnisse stellte Frank Demming, Leiter des Bereichs Arbeit und Bildung beim Caritas-Verband, jetzt vor. Er berichtete den Politikern von einer „geradezu erschlagenden“ Vielfalt von Programmen, die bisher vergeblich versucht hätten, das Problem in den Griff zu bekommen. Oft seien dies befristete Programme gewesen, die gut angelaufen, aber auf halbem Weg stehen geblieben seien. Als Lösung, den gewünschten Langzeiterfolg zu erreichen, empfahl Demming den sogenannten Passiv-Aktiv-Transfer oder PAT.
Nicht Passivität alimentieren, sondern Aktivität fördern
„PAT bedeutet, dass wir das Geld, das wir sowieso ausgeben, nicht für die Alimentierung von Passivität ausgeben, sondern dafür, den Personen eine Chance zu geben, aktiv zu werden,“ erläuterte Demming und fügte gleich hinzu, dass es nicht um ein Aufstocken der bisherigen Transferleistungen der öffentlichen Hand gehe, sondern um ein Umschichten. „Das ist logisch und jedem klar, dass das vernünftiger ist,“ kommentierte Hans-Dieter Schlinkmann (FDP) diesen Ansatz. Auch Gerd Stodollik (SPD), Michael Brüne (CDU) und Thomas Wälter (Grüne) äußerten sich ähnlich positiv.
Betrieb soll Teil des Geldes selbst erwirtschaften
Demming erläuterte weiter, dass ein sozialer Arbeitsmarkt, der zu 100 Prozent von der öffentlichen Hand finanziert werde, schon deshalb sehr schwierig sei, weil er strikte Gemeinnützigkeit und Wettbewerbsneutralität bewahren müsse. Der bessere Ansatz für ihn sei es, wenn mit den Transferleistungen die Hemmnisse bei den Beschäftigten ausgeglichen werden, aber ein Teil des Geldes – zum Beispiel 25 Prozent – auch selbst erwirtschaftet wird. So entstehe Wettbewerbsneutralität. Demming sprach sich für Soziale Betriebe aus, die im Wettbewerb stehen und in denen sich auch die freie Wirtschaft engagieren könne. Betriebe, die nachgefragte Tätigkeiten übernehmen und nicht auf einem künstlichen Arbeitsmarkt agieren. Und er sprach sich für klare Spielregeln aus, um Mitnahmeeffekte zu verhindern. Dazu gehörten eine klare Definition der Zielgruppe, aber auch die Einhaltung von Mindestlohn und Tarifverträgen.
Ein Delta von 177 Euro im Monat
Demming zeigte sich überzeugt: „Der Soziale Arbeitsmarkt ist finanzierbar.“ Er stellte den Politikern eine Modellrechnung vor – auf der einen Seite die Hartz IV-Regelleistung plus Kosten der Unterkunft, Heizung, Kranken- und Pflegeversicherung sowie Verwaltungskosten im Jobcenter, auf der anderen Seite eine Beschäftigung zum Mindestlohn, wobei die Person 1050 Euro monatlich zur Verfügung hat und fast 400 Euro an Steuern, Renten- und Arbeitslosenversicherung ins System zurückfließen. Unterm Strich, so Demming, bleibe da ein Delta von 177 Euro im Monat, das im Sozialen Betrieb erwirtschaftet werden müsse.
Paradigmenwechsel muss politisch gewollt sein
„Das ist ein Paradigmenwechsel, der politisch gewollt sein muss,“ erklärte Demming abschließend. Helmut Melchert, zuständiger Fachbereichsleiter im Arnsberger Rathaus, signalisierte, gerne mitziehen zu wollen. Denn das Problem sei riesengroß und nicht in den Griff zu kriegen, vielmehr sei mit steigenden Zahlen zu rechnen. Als erstes muss der Hochsauerlandkreis überzeugt werden, denn die Stadt Arnsberg betreibt das Jobcenter nur in dessen Auftrag. Frank Demming sieht hier gute Chancen, vor allem für ein Gemeinschaftsprojekt von Arnsberg und Sundern, weil in Arnsberg und Sundern ein erkennbarer Schwerpunkt des Problems liege. In den beiden Städten im Westkreis lebten 59 Prozent der Leistungsempfänger, aber nur 39 Prozent der Gesamtbevölkerung des HSK. Überzeugt werden müssen aber auch Land und Bund, weil von ihnen Geld kommt. Auch hier sieht Demming Chancen. Im Saarland und in Baden-Württemberg gebe es bereits seit Jahren Modellprojekte und auch im Osten der Republik seien derzeit Kommunen auf diesem Weg. „Und wenn es auch nur ein auf Dauer angelegtes Modellprojekt wäre, wäre uns hier schon geholfen,“ so Demming.
Holzenergiehof im Januar Thema
Angesprochen auf konkrete Umsetzungsmöglichkeiten vor Ort in Arnsberg, nannte Demming den Holzenergiehof, ein Projekt, das sein Caritas-Verband gemeinsam mit den Stadtwerken Arnsberg plant. „Den aktuellen Stand dieses Projekts werden die Stadtwerke in der Januarsitzung des Ausschusses vorstellen“, kündigte der Ausschussvorsitzende Hans Wulf (Grüne) an. „Ein spannender Vortrag und ein gutes Votum,“ bilanzierte Wulf abschließend, nachdem der Ausschuss einstimmig sein klares politisches Signal gesetzt hatte.