Arnsberg/Sundern. „Geh‘ mal wieder auf die Straße, geh‘ mal wieder demonstrieren. Denn wer nicht mehr versucht zu kämpfen, kann nur verlieren“, so lautet eine Liedzeile der Band „die Ärzte“. Dieser Aufruf wäre für die demonstrierenden Pflegefachkräfte aus Arnsbberg und Sundern so gar nicht nötig gewesen, denn bereits seit über einem Jahr machen die Pflegefachkräfte mit immer wieder neuen Demo-Aktionen auf den Pflegefachkraftmangel und die immer höheren Konventionen, die durch politische Sparmaßnahmen verursacht werden, aufmerksam.
Autokorso der Pflegefachkräfte sorgt für Aufmerksamkeit
Die jüngste und auffälligste Demo fand am Mittwoch in der Neheimer Innenstadt statt, hier versammelten sich nach einem Autokorso mit rund 70 Autos und Fußgruppendemo durch die Fußgängerzone rund 500 Pflegekräfte der ambulanten Pflegedienste der Caritas-Sozialstationen Arnsberg, Neheim, Hüsten und Sundern sowie Provita und Mitarbeiter der stationären Pflegeeinrichtungen der Caritas und des Klinikums Arnsberg sowie der Caritas-Werkstätten auf dem Neheimer Markt, um auf ihre Situation und die ihrer Patienten aufmerksam zu machen. Unterstützt wurden sie von Passanten, die sich solidarisch zeigten und sich in die Gruppe stellten. Auch der ein oder andere Kommunalpolitiker wurde unter den Demonstranten gesehen.
„Geld pflegt nicht, sondern Menschen!“
Auf dem Neheimer Marktplatz ergriff dann als erster Christian Stockmann, Vorstandsvorsitzender des Caritasverbandes, das Wort: „Unsere Kolleginnen und Kollegen in den Pflege-Einrichtungen und Diensten erleben seit Jahren in der täglichen Arbeit einen erheblichen Zeitdruck, erkennbar zum Beispiel an einer ambulanten Pflege im Sekundentakt oder dem geringen Personalschlüssel in der stationären Altenpflege, statt mehr Zeit für den Menschen. Auch die Rahmenbedingungen in der Ausbildung von Altenpflegekräften sind seit Jahren völlig unzureichend finanziert, obgleich der Pflegeberuf ein sehr interessanter und im Zuge des demografischen Wandels außerordentlich wichtiger Beruf für unsere Gesellschaft ist.“ Durch die vom Gesetzgeber angestoßene Pflegereform solle sich einiges verbessern, allerdings sei die Reform noch nicht final ausgestaltet, so Stockmann, der deshalb den Blick auf noch offene Baustellen lenkte: „Ich möchte die politisch Verantwortlichen in unserem Land auf etwas hinweisen: ‚Geld pflegt nicht, sondern Menschen´.“ Es gehe in der Umsetzung der Pflegereform jetzt nämlich noch um offene Fragen zum Personalschlüssel in den Einrichtungen, zur Ausgestaltung der Fachkräfteausbildung, um die Reduzierung des Dokumentationsaufwands, um den sogenannten „Pflege-TÜV“ und auch um die Sicherstellung der ambulanten Versorgung im ländlichen Raum, hier als Stichwort die weiten Fahrstrecken.
„Qualität ist kein Luxus“
Aus Sicht der Pflegefachkräfte berichtete neben Ulrich Mönke, Organisator der Kampagne „Pflege am Boden“, auch Renate Brasse, Mitarbeitervertreterin der Caritas für den Bereich Altenhilfe: „Unser Beruf ist sehr vielschichtig, anspruchsvoll und wichtig und es bereitet uns viel Freude die Menschen zu unterstützen, so lange wie möglich in der eigenen Häuslichkeit zu leben oder falls erforderlich ihnen ein neues Zuhause zu bieten. Die von uns geforderte und erforderliche Qualität ist kein Luxus, denn wir möchten die, von den Menschen und Institutionen in uns gesetzten, Erwartungen erfüllen. Die Leistungserfassung zur Versorgung alter, kranker, hilfebedürftiger und vor allem auch demenzkranker Menschen kann nicht nach Modulen erfolgen. Dies lässt keine Spielräume und somit zu wenig Zeit für individuelle Pflege. Menschliche Beziehungen und Unterstützung brauchen Zeit, jeder könnte schon morgen selbst betroffen sein!“
„Die Politik spart uns kaputt!“
„Die Politik spart uns kaputt“, verdeutlichte Volker Koch, Geschäftsführer des Klinikums Arnsberg, der auch stellvertretend für die Krankenhäuser im HSK die Konsequenzen der neuen Rahmenbedingungen im stationären Bereich erklärte. „Dass Reformen trotz gesamtheitlich höherem Einsatz von Geldern in ihrer Umsetzung immer Budgets und zusätzliche Ressourcen binden, verschweigt die Politik. Die Pflegereform macht es an vielen Stellen unnötig kompliziert und ist besonders für den stationären Bereich nicht zu Ende gedacht,“ so Koch. Die Solidarität mit den Patienten zeige, wie wichtig den Pflegekräften ihre Arbeit sei, hier sei Beruf nicht nur Beruf, sondern Berufung. Die demonstrierenden Pflegekräfte, waren die „Frühschicht“ und demonstrierten in ihrer Freizeit, die „Spätschicht“ war während der Demo im Einsatz für Patientinnen und Patienten.
„Sinnerfüllender Beruf mit Zukunft“
Zum Schluss seiner Rede richtete sich Stockmann Mut sprechend an die Pflegekräfte: „Egal ob sie beim Caritasverband oder woanders arbeiten, bleiben Sie Ihrem Beruf treu. Wenn jemand auf der Suche nach einer sinnerfüllenden Ausbildung ist, dieser Beruf hat gerade auch im Kontext des demografischen Wandels Zukunft. Ihre Arbeit ist was Besonderes, Sie sind für andere Menschen da, genau dann, wenn man als Betroffener alleine nicht mehr klarkommt und Hilfe braucht. Und gemeinsam treten wir dann für bessere Bedingungen in der Pflege ein: Heute mit der Überschrift ‚Gute Pflege braucht Zeit!‘ “